Es ist 5 vor 12! Die meisten deutschen Unternehmen stehen derzeit massiv unter Druck ihre eigenen Webauftritte als wesentliches Marketing-Tool auf Vordermann zu bringen. Allen voran das Thema mobile Optimierung sollte angesichts des „Mobile Lifestyle“ der Menschen im Vordergrund stehen. Doch während viele dieses Problem wenigstens erkannt haben, liegen vermuteter und tatsächlicher Fortschritt noch weit auseinander. Denn nur weniger als die Hälfte der deutschen Mittelstands- und Großunternehmen kann derzeit eine ausreichend mobil-optimierte Webseite vorweisen.
von Maximilian Hille, Crisp Resarch
Der Alltag der meisten Menschen von heute ist geprägt vom mobilen Internet. Spätestens seit der Geburtsstunde des iPhone im Jahr 2007 wurde der mobile Zugriff auf das World Wide Web für die Massennutzung interessant. Seitdem hat sich viel getan. Denn in den letzten Jahren hat sich rund um das mobile Internet ein Ökosystem gebildet, das Märkte, Branchen und Lebensstile auf links gedreht oder erst geboren hat.
Laut Aussagen des Branchenverbands Bitkom aus dem vorherigen Jahr können fast zwei von drei Menschen (61 Prozent) nicht mehr auf ihr Smartphone verzichten. Diese Tatsache schlägt sich bereits deutlich auf die Verteilung des globalen Internet-Traffic nieder. Denn war es vor drei Jahren (September 2012) noch der Computer, der mit 85 Prozent der nahezu alleinige Treiber des globalen Datenvolumens war, so ist das Smartphone mit einem Anteil von derzeit 37 Prozent der aktuelle Wachstumstreiber für den globalen Internet-Traffic. In gut zwei Jahren ist davon auszugehen, dass der generierte Internet-Traffic über Smartphones den des Computers überholen wird.
Mobile Web Experience ist somit auch ein strategisches Thema. Nur diejenigen Unternehmen, die sich dieser Entwicklung anpassen können und ihren Marken-Auftritt entsprechend auch digital und insbesondere mobile bereitstellen, werden auch zukünftig von den Kunden und Partnern wahrgenommen. Diejenigen, die diesen Trend verpassen, verlieren mindestens einen der bedeutsamsten Kommunikationskanäle der kommenden Zeit.
Nur 41 Prozent der untersuchten Websites sind für „Mobile“ optimiert
Aus diesem Grund hat Crisp Research im Auftrag von T-Systems MMS und CoreMedia im Juni und Juli 2015 eine Studie durchgeführt, die empirisch und im Rahmen einer Benchmark-Analyse die Einschätzungen und Planungen der Entscheider zum Thema Mobile Web Experience zusammengetragen sowie die Webseiten der Unternehmen auf 15 Kriterien untersucht hat. Im Rahmen dieser Studie wurden 120 Entscheider aus Mittelstands- und Großunternehmen befragt und 511 Webseiten wurden untersucht.
Fokus der Studie war es herauszufinden, wie weit deutsche Mittelstands- und Großunternehmen tatsächlich bei der Mobile Web Experience vorangeschritten sind. Nach eigenen Angaben der im Rahmen der Studie befragten Entscheider sieht es erst einmal sehr gut aus. So sei jede dritte Webseite der Mittelstands- und Großunternehmen (35 Prozent) bereits vollständig für die mobile Nutzung optimiert. Mehr als die Hälfte der Webseiten (53 Prozent) sind den Angaben der Entscheider zufolge wenigstens teilweise optimiert. Während es bei einer teilweisen Optimierung sein kann, dass lediglich erste Ergebnisse sichtbar sind und noch einige Baustellen existieren, umschließt eine vollständige Webseiten-Optimierung nicht nur die Umstellung des Designs für kleinere Bildschirme, sondern auch eine umfangreiche Umstrukturierung der Inhalte, Darstellungen, Funktionen und Strukturen. Denn nur dann ist gewährleistet, alle relevanten Kriterien der mobilen Optimierung zu erfüllen, sodass am Ende ein wirklich rundes Nutzungserlebnis entsteht..
Sobald diese Aussagen allerdings auf die Probe gestellt werden, zeigt sich, dass die Realität eine andere ist. Im Rahmen der Analyse der 511 Webseiten wurde zur Ermittlung der Güte der Webseiten auf der mobilen Ansicht ein Kriterienkatalog verwendet, den auch Google für seinen Such-Algorithmus nutzt. Dazu wurden 5 Kriterien für die Nutzererfahrung (User Experience) und 10 Kriterien für die Leistungsfähigkeit (Performance) der Webseiten auf der mobilen Ansicht hinzugezogen. Darüber hinaus wurde auch ermittelt, welche der Webseiten überhaupt für die mobile Nutzung optimiert wurden.
Das Ergebnis ist deutlich. Denn gaben zuvor noch knapp 90 Prozent der Entscheider an, ihre Webseite sei wenigstens teilweise für die mobile Nutzung optimiert, so liefert die Analyse nur einen Wert von gut 41 Prozent der untersuchten Webseiten, die wahrnehmbare Aktivitäten dazu aufweisen.
Noch gravierender fällt die Interpretation der ermittelten Werte für die Güte der mobilen Optimierungen aus. Denn mit einem Wert von 56 von 100 Punkten würden die untersuchten Unternehmen in den Notentabellen der Schule etwa bei einer 4 landen und wären somit nicht weit von einer Versetzungsgefährdung entfernt. Nicht nur vor dem Hintergrund, dass die Entscheider sich selbst deutlich weiter wähnen, sondern auch gemessen am allgemeinen Status deutscher Unternehmen als Weltmarktführer und Wirtschaftsmacht, ist dieses Ergebnis alarmierend. Es zeigt außerdem wie wenige Unternehmen überhaupt ernsthaft und konsequent an der mobilen Web Experience arbeiten.
Vage Wahrnehmungen und Planspiele
Man könnte vermuten, dass die befragten Entscheider der mobilen Webseiten-Optimierung fälschlicherweise keine hohe Bedeutung beimessen. Dies ist aber nicht der Fall. Denn nahezu alle Entscheider befinden es für notwendig, dass die eigene mobile Webseite für Kunden und Partner auch mobil erreichbar und optimiert ist. 53 Prozent der befragten geben an, dies sei wichtig, weitere 28 Prozent sagen sogar, dass es sehr wichtig sei, eine mobile Webseiten-Optimierung voranzutreiben. Im Rahmen der Befragung gaben 14 Prozent der Entscheider in einer weiteren Antwort sogar an, mobil optimierte Webseite als essentiell für den Geschäftserfolg zu erachten. Fast zwei von drei Entscheidern (64 Prozent) sehen darin immer noch ein Kerninstrument für das Marketing.
Alarmstufe rot
Weil die Entscheider offenbar unter einer hochgradigen Überschätzung der eigenen Aktivitäten leiden, müssen sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Die Unternehmen, die noch keine mobilen Initiativen eingeleitet haben, sind weit abgeschlagen sind von denjenigen, die schon heute und damit zur rechten Zeit ein angemessenes mobiles Nutzererlebnis bieten können. Für viele Unternehmen herrscht daher wenigstens hinsichtlich des digitalen Marketings Alarmstufe rot.
Im Kontext der Studienergebnisse erscheint es ratsam, den Ist-Zustand zukünftig etwas realistischer einzuschätzen. Experten, insbesondere aus dem IT- und Agentur-Umfeld, können mit Hilfe geeigneter Systeme, wie zum Beispiel neuen, mobil-fähigen Experience-Management-Systemen oder mit vielfacher Projekterfahrung als Partner für die mobile Web-Optimierung zur Seite stehen. Neue Technologie-Trends wie das responsive Web-Design werden dann auch für die Zukunft hilfreich sein, um den Webauftritt einfach und in höchster Qualität zu pflegen. Nicht zuletzt ist es wichtig, dass die Unternehmen die Mobile Web Experience als dynamisches Phänomen betrachten. Dinge, die vor einem halben Jahr noch dem Stand der Zeit entsprachen, können heute bereits veraltet sein. Kontinuierliche Weiterentwicklungen und Qualitätssicherungen gehören daher zu jeder mobil-digitalen Markenstrategie.