Noch immer verbindet der Handel mit dem Begriff „Big Data“ überwiegend die Auswertung vergangenheitsbezogener Daten. Nur zu rund einem Viertel wird Analytics bei den befragten Handelsunternehmen der DACH-Region im Bereich Vertrieb (26 %) und Marketing (29 %) verwendet. Das ist ein Ergebnis der Studie „Wettbewerbsfaktor Analytics“, die der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Electronic Government der Universität Potsdam zum dritten Mal in Zusammenarbeit mit dem Softwarehersteller SAS durchgeführt hat.
Die Studie bestätigt, dass nur 20 bis 50 Prozent der verfügbaren Daten für tatsächliche Auswertungszwecke genutzt werden. „Es besteht noch großes Potenzial, sowohl für Datenanalysen im Allgemeinen als auch für den Einsatz von Big Data Analytics im Speziellen“, so Wolf Lichtenstein, CEO DACH-Region SAS.
„Entgegen unseren Erwartungen zeigt die Studie, dass Handelsunternehmen Omni- und Multi-Channel-Daten nur in sehr geringem Umfang auswerten. Mehr als 70 Prozent der befragten Unternehmen tun dies nie oder viel zu selten“, konstatiert Professor Dr. Norbert Gronau, Leiter der Studie und Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsinformatik an der Universität Potsdam.
Im Marketing kommen zukunftsorientierte Methoden ähnlich oft zum Einsatz wie vergangenheitsorientierte. In diesem Bereich wird Big Data Analytics hauptsächlich genutzt, um das Konsumverhalten auszuwerten und den Kundenservice zu verbessern. Ein Monitoring der Produktwahrnehmung spielt standardmäßig noch keine Rolle, sondern findet nur im Rahmen von spezifischen Projekten statt.
Handel nutzt Big Data Analytics für Lagerwirtschaft und Logistik
In der Lagerwirtschaft und Logistik setzen Handelsunternehmen dagegen verstärkt auf Datenauswertung zur Vorhersage und Optimierung. „Im Handel ist die Lagerwirtschaft ein zentraler Knotenpunkt. Hier fließen Angebot und Nachfrage zusammen, weshalb sich der Einsatz von zukunftsorientierten Methoden besonders lohnt“, erläutert Lichtenstein.
Insgesamt wird Big Data Analytics im Handel zwar schon in vielen Unternehmensbereichen eingesetzt, allerdings fließen die Erkenntnisse daraus oftmals nicht systematisch in zukünftige Maßnahmen ein. „Ursache für diese geringe Nutzung sind vor allem fehlendes Know-how und zu geringe interne Ressourcen“, erklärt Gronau. Wie die Umfrage zeigt, wird die Verständlichkeit der Analysen von mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen im Handel mit befriedigend oder schlechter eingestuft.
„Big Data lässt sich nur schwer interpretieren, dazu werden Spezialisten benötigt. Zudem stellt die fehlende Individualisierbarkeit der verfügbaren Analysen ein großes Problem dar. Mitarbeiter in den Abteilungen erhalten von zentralen Stellen vorgefertigte Auswertungen oder wenden sich an einen Spezialisten für Analysen. Interpretieren müssen sie die Ergebnisse dann selbst, daher entsprechen die Auswertungen nicht immer dem tatsächlichen Informationsbedarf“, fährt Gronau fort.
„Der Prozess der Datenaufbereitung ist für viele Firmen ein großes Problem und verhindert oftmals den Einsatz von Big Data Analytics. Wenn die Daten verständlich aufbereitet wären, würde dies bei Nicht-Analytics-Experten Berührungsängste abbauen und zu einer stärkeren Nutzung führen“, führt Gronau weiter aus.
Verbreitung abhängig von Unterstützung des Managements
Neben der Verfügbarkeit von Methoden und Tools ist der Einsatz von Big Data Analytics abhängig von der Unterstützung des Managements. 35 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass das Top-Management analytische Methoden eher nicht befürwortet. Die Hälfte der Befragten stimmt für eine Nutzung. 33 Prozent der Unternehmen gaben an, keine Steuerung für die Anwendung von Big Data Analytics etabliert zu haben. Bei den verbleibenden Unternehmen liegt die Verantwortung entweder in den Fachabteilungen oder bei der IT-Leitung. Schulungen bieten nur wenige Unternehmen an.
Steigerung der Neukundengewinnung
Ziel der Nutzung von Big Data Analytics im Marketingmanagement ist die Steigerung der Neukundengewinnung sowie die Bindung von Bestandskunden. Fast 90 Prozent nutzen Big Data Analytics im Rahmen ihrer Kundenbindungsprogramme. Im Fokus stehen zudem die Verhinderung einer Abwanderung von Bestandskunden sowie die Neukundengewinnung.
Die Etablierung neuer Produkte oder Cross-Selling-Aktivitäten spielen bei Handelsunternehmen gemäß der Studie keine große Rolle. Big Data Analytics wird von der Hälfte der befragten Unternehmen eingesetzt, um Kampagnen zu planen und Maßnahmen sowie Kanäle abzustimmen. Nur elf Prozent der Befragten nutzen diese Analysen zur Preisfindung oder zur Ermittlung von kundenindividuellen Preisen.
Befragt wurden Manager der ersten und zweiten Führungsebene von mehr als 1.500 Handelsunternehmen im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz). Die Executive Summary „Handel“ der Studie „Wettbewerbsfaktor Analytics“ steht hier zum Download bereit.