Auf der „letzten Meile“ der Paketzustellung, dem letzten Lieferschritt zum Empfänger, ist nicht nur der Wunsch der Kunden nach Flexibilität ein Treiber für innovative Konzepte. Jede erfolglose Auslieferung treibt die Kosten für die Zusteller in die Höhe. Dienstleister suchen daher dringend nach innovativen Lösungen wie beispielsweise die Zustellung per Drohne, direkt in den Kofferraum des Empfängers, per Stoffpaketbeutel an der Haustür oder auch Crowd Delivery, die Anlieferung durch Privatpersonen – alles mit dem Ziel, im boomenden Onlinehandel wettbewerbsfähig zu bleiben.
Eine aktuelle Verbraucherumfrage zeigt, dass die Kunden nach wie vor klassische Zustellwege bevorzugen. Wenn eine persönliche Annahme nicht möglich ist, lässt mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) die Pakete an einen Nachbarn liefern. Die Entgegennahme der Sendung innerhalb eines selbstbestimmten Wunschzeitraums – beispielsweise nach Feierabend – ist heute ebenfalls eine Alternative, die von knapp 40 Prozent der Befragten häufig oder gelegentlich genutzt wird. Die Befragungsergebnisse zeigen auch, dass die Nutzung von Paketstationen und Paketkästen im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert geblieben ist. Dies sind die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von über 1.000 Personen im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC.
„Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es für die Branche wichtig, Zustellmodelle zu entwickeln, die kostengünstig sind, aber auch vom Kunden akzeptiert werden“, betont Dietmar Prümm, Partner und Leiter des Bereichs Transport und Logistik bei PwC in Deutschland. „Das Sendungsvolumen wird allen Prognosen zufolge weiter zunehmen. Und vieles deutet darauf hin, dass sich Verbraucher in Zukunft auch verderbliche Waren – beispielsweise Lebensmittel oder Blumen– immer öfter nach Hause schicken lassen. Da ist es abzusehen, dass irgendwann auch der beste Nachbar an seine Grenzen stößt.“
Akzeptanz von Paketstationen und Paketkästen stagniert
Rund die Hälfte der Befragten nutzen Paketstationen und Paketkästen oder würden den Service in Anspruch nehmen, wenn sie die Möglichkeit hätten. Allerdings gaben ebenso viele Verbraucher an, diese Option auch in Zukunft nicht nutzen zu wollen. Dieser Prozentsatz ist im Vergleich zum Vorjahr unverändert hoch. Das betrifft die Paketstationen, die an öffentlichen Plätzen (Bahnhof, Supermärkten etc.) aufgestellt werden ebenso wie den Paketkasten direkt vor dem Haus oder die Anlieferung an ein Geschäft (Kiosk, Bäcker, Tankstelle).
Interesse an Paketzustellung am Arbeitsplatz steigt
Als neuere Form der Zustellung gewinnt die Lieferung ins Büro, als zeitsparende und praktische Option zugleich, zunehmend an Attraktivität bei Berufstätigen. Sechs von zehn Befragten gaben an, dass sie diesen Service gerne nutzen würden, wenn es möglich wäre. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich dieser Trend nochmals um zehn Prozentpunkte verstärkt. Auch die Bereitschaft, dafür einen kleinen Beitrag zu zahlen, hat seit dem letzten Jahr zugenommen.
Verbraucher sehen Risiken bei Drohne und Stoffbeutel
Neuere Konzepte der Paketzusteller werden von den Umfrageteilnehmern in Deutschland zum Teil sehr kritisch gesehen. So lehnen es zwei Drittel der Verbraucher ab, sich Pakete in den Kofferraum ihres Autos liefern zu lassen – auch wenn dies mittels eines sicheren Codes geschieht, über den nur der Zusteller verfügt.
Ähnlich zurückhaltend sehen die Verbraucher die Idee, Pakete per Drohne liefern zu lassen; lediglich rund ein Drittel kann sich diese Anlieferung vorstellen. Nur jeder Fünfte hält es für die Zustellung praktikabel, Stoffpaketbeutel an der Haustür befestigen zu lassen. Auch wenn sich ein nicht unerheblicher Prozentsatz mit neuen Lösungen anfreunden könnte, zeigen die geäußerten Bedenken genau die Schwelle zu größerer Akzeptanz. Neun von zehn Befragten ist die Haftung im Schadensfall unklar. Die Unsicherheiten betreffen den Verlust ebenso wie die Beschädigung der Sendung. Aber auch die fehlende Paketverfolgung und die Unversehrtheit des Autos beschäftigen die Kunden.
Sicherheit und Zuverlässigkeit sind für den Erfolg entscheidend
Heute kann immer öfter der Käufer einer Ware selbst bei der Bestellung zwischen verschiedenen Lieferoptionen (Same Day, 24 Hour, Selbstdefiniertes Zeitfenster) entscheiden. Bislang sind diese Optionen selten mit bestimmten Dienstleistern verknüpft. „In naher Zukunft wird der Käufer viel öfter beim Kauf den Paketdienstleister auswählen können. Flexibilität, Sicherheit und Zuverlässigkeit werden damit zum entscheidenden Wettbewerbskriterium“, betont Prümm. „Diese Entwicklung sollten Paketdienstleister vor allem vor dem Hintergrund des wachsenden Wettbewerbs kritisch betrachten.“ Denn als neue Anbieter im Paketmarkt treten nicht nur Versandhändler und traditionelle Stückguttransporteure auf. Auch der Lebensmittel- und Elektroartikelanbieter ergänzen ihre Multi Channel-Konzepte zunehmend mit hauseigenen Lieferdiensten, indem sie das eigene Filialnetz kostengünstig als Hubs nutzen.
Retourenquote unverändert hoch
Mit wachsendem Kundenvertrauen sind auch weitere Schritte zu mehr Effizienz denkbar. „Die Zustellung der Ware zum Beispiel beim Arbeitgeber ist sicherlich eine attraktive Variante für Bestellungen bei Onlineanbietern und Omni-Channel Händlern“, kommentiert Gerd Bovensiepen, Partner und Leiter des Geschäftsbereichs Handel und Konsumgüterindustrie bei PwC. „Neue Lieferoptionen sollten aber auch die Organisation der Rücksendungen berücksichtigen. Denn wie die Umfrageergebnisse zeigen, ist die Retourenquote bei einigen Produktgruppen unverändert hoch. Sie verschärft den Paketansturm vor allem rund um die Weihnachtszeit noch zusätzlich“, betont Bovensiepen. Mehr als zwei Drittel der Befragten bestellen online mehr Kleidungsstücke und Schuhe als sie tatsächlich kaufen wollen. Bei anderen Produktgruppen ist der Prozentsatz der geplanten Rücksendungen deutlich geringer: rund 40 Prozent sind es bei Consumer Electronics und Medien.
Nicht alle neuen Zustellkonzepte werden so vehement abgelehnt wie die Zustellung in den Kofferraum (63 Prozent). So ist die Zahl der Ablehner von Paketanlieferungen durch Privatpersonen (37 Prozent) und Anlieferung durch ein Taxi (29 Prozent) deutlich geringer. „Neue Zustellkonzepte müssen und werden sich durchsetzen. Aber welche Konzepte auch verfolgt werden, es liegt an den Paketdiensten, die Bedenken ihrer Kunden zu erkennen und auszuräumen, damit die „letzte Meile“ nicht zum Flaschenhals im E-Commerce wird“, resümiert Prümm.