Der Fortschritt macht nicht halt. Zum Glück. Unternehmen jedoch zwingt das zu handeln, verschafft ihnen aber auch die Chance, sich von der Konkurrenz abzusetzen. KPMG-Experten bewerten drei Megatrends und wie sie die Wirtschaft branchenübergreifend beeinflussen werden.
Selbstversorger durch Energiewende
Jahrzehnte war die Energieerzeugung eine klare Sache. Doch haben sich anfängliche Marginalmeinungen mittlerweile fest in der Mitte der Gesellschaft und in der Realität manifestiert: Die Umwelt muss geschont werden. Klimaschutz funktioniert aber mit Kohle schlecht, wie die Bilder aus China vor wenigen Wochen bewiesen und wie die Welt auf dem Pariser Klimagipfel indirekt bestätigte. Die Kernenergie hingegen hat mit Fukushima zumindest in Deutschland seine Daseinsberechtigung verwirkt. Und während in Greifswald die Kernfusion versucht wird, betreiben Deutschlands große Energiekonzerne die Kernspaltung ihrer Unternehmen. Die Energieversorgung wird kleinteiliger. Wie wird der Wandel gestaltet und was bedeutet er für die Wirtschaft insgesamt? Dazu Partner und Head of Energy Michael Salcher:
„Für die Industrie sind zwei Punkte wesentlich: Der Preis und die Versorgungssicherheit. Die Energiewende, auch die globale, wirkt sich auf beides aus. Überraschend ist nun, dass seit einiger Zeit Öl sehr billig geworden ist und der Anreiz zur Nutzung grüner Energien möglicherweise abnimmt. Es will aber kaum jemand darauf wetten, dass das langfristig so bleibt.
Der Energiemix der Zukunft ist noch nicht abzusehen. Ich gehe davon aus, dass das künftige Versorgungssystem sämtliche Erzeugungsarten umfassen muss: Erneuerbare Energien, konventionelle Basiserzeugung und Eigenerzeugung. Wir werden eine traditionelle, konventionelle und eine neue neue, erneuerbare Welt sehen – Industrie und Energieversorger passen sich hierauf an. Dennoch: Es herrscht Unsicherheit. Ohne Kernkraft und Braunkohle wird Strom teurer und die Versorgung volatiler. Den Auswirkungen können Unternehmen jedoch u.a. begegnen, selbst Strom zu erzeugen. Mehr und mehr Unternehmen werden mit alternativen Technologien teilweise zu ihren eigenen Stromversorgern werden. Dies wird in Kombination mit stabilen backup-Systemen erfolgen: Diese Kombination wird die Versorgungssicherheit ermöglichen. Der Technologiewandel erfolgt rasch: Anbieter und Nachfrager müssen und werden sich anpassen.“
Der weite Weg der Elektromobilität
Eng verknüpft, aber doch ein anderes Gebiet ist die Elektromobilität. Just wurde bekannt, dass Tesla Milliarden in ein neues Werk investiert. Dort sollen vor allem die Kosten für Akkus deutlich gesenkt werden. Denn die sind noch ein Vielfaches zu hoch, damit das Elektroauto eine erschwingliche Alternative zum konventionellen Auto wird, wie der Economist kürzlich aufzeigte. Andererseits ist seit dem Dieselskandal klar, dass auch ölbasierte Autos nur zu höheren Kosten, die Umweltnormen einhalten. Daher die Frage an Dieter Becker, Partner und Global Head of Automotive bei KPMG: Was trauen sie der Elektrotechnik zu und wie wirkt sich das auch auf andere Industriebereiche aus?
„Die Elektromobilität hat noch einen weiten Weg zu gehen, sie stellt schlicht und einfach noch keine bezahlbare Mobilitätslösung dar. Gut ist, dass Hybrid-Formen schon jetzt am Markt etabliert sind, aber ein wirklicher Entwicklungssprung ist das noch nicht. Es hakt an mehreren Stellen für die es Lösungen braucht. Gerade wenn Autos künftiger weniger Eigentum einer Person sind und Mietmodelle ausgeweitet werden, kann ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept nicht mehrere Stunden zum „nachtanken“ aussetzen – zumal, wenn es nur vergleichsweise wenig Kilometer mit einer Ladung fahren kann. Einerseits muss die neueste Batterietechnologie schneller für jeden bezahlbar werden, was durch entsprechende Anreizsysteme erreichbar wäre und andererseits braucht es begleitend größere Infrastrukturänderungen. Induktionsschleifen in den Straßen sind eine interessante Variante. Das würde auch einen enormen Investitionsschub auslösen, wobei es wünschenswert wäre, dass Regulator, Hersteller und Zulieferer hierbei auf einer Plattform arbeiten würden, welche die Einheitlichkeit der technischen Lösung, den Marktzugang für alle Marktteilnehmer und Investitionsanreize für die Elektromobilität kombiniert. Überhaupt können aus dem Versuch, die Elektromobilität voranzubringen, bedeutende Spill-over-Effekte entstehen. Günstige Energiespeicher etwa würden auch die Energiewende erheblich vorantreiben.“
Querdenker in neuen Arbeitswelten
Wie aber wollen Sie ein Auto künftig bezahlen, wenn Sie keinen Job mehr haben? Fürchten Sie nicht, Ihren Job an einen anderen zu verlieren. Die Frage ist stattdessen: Wird überhaupt noch jemand Ihren Job machen, weil es ihn womöglich gar nicht mehr gibt? Die Digitalisierung hat viele Berufe stark verändert. Ein Bürojob ohne Computer ist nicht mehr denkbar. Dank Computer und Internet können wir unsere Gedanken viel schneller festhalten, unser Wissen erweitern und mit anderen austauschen. Mittels besserer Maschinen erledigen wir viel mehr Arbeit. Am eindrücklichsten wird das auf dem Feld, wo für die Bewirtschaftung einer bestimmten Ackerfläche nur noch ein Bruchteil der Arbeiter notwendig ist. Wie aber wird das Geld verdient, wenn Roboter viele Jobs übernehmen? Anna Seifert, KPMG-Managerin, blickt voraus:
„Denken wir an das autonome Fahrzeug. Wird es in fernerer Zukunft noch Taxifahrer, Lokomotivführer und Lastwagenfahrer geben? Vermutlich nicht. Selbst Jobs für die heute ein Studium notwendig ist, werden mehr und mehr von Maschinen übernommen oder schlicht überflüssig werden. Das ist aber nicht schlimm. Das Spannende ist, dass wir hiermit Raum und Kapazitäten haben, neue Jobs zu schaffen. Hierbei steht Innovationsfähigkeit und Querdenken klar im Vordergrund. Die Führungskraft von morgen ist nicht mehr der krawattentragende Manager sondern der Innovator mit Vollbart und Cordhose der bereit ist auch in komplexen Konzernstrukturen komplett neue Wege einzuschlagen. Ich jedenfalls bin gespannt auf die Welt in 30 Jahren. Denn ein Trend wird sich sicher fortsetzen: Jobs werden eine immer größere Flexibilität fordern und fördern.“