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Fertigungsunternehmen sollten sich mit Software defined Infrastructure auseinandersetzten.

Die digitale Transformation zieht weitere Kreise. Was sich für einen Großteil der Unternehmen „lediglich“ auf Geschäftsmodell- und Prozess-Ebene bemerkbar macht, bereitet Industrie-Unternehmen auch innerhalb der Produktion Kopfzerbrechen. Insbesondere die Automobilbranche hat mit einer hohen Erwartungshaltung hinsichtlich Innovationen über die gesamte Lieferkette zu kämpfen. Eine bedarfsgerechte Produktion in nahezu Echtzeit sowie eine flexible Lieferung der Produkte sind nur zwei Beispiele für diese Ansprüche. Der Bedarf an intelligenten Produktionsstätten und autonomen Anlagen wird damit immer größer. Industrie 4.0 ist das Stichwort, deren Einfluss auch immer mehr auf IT-Infrastruktur-Ebene und im Netzwerk sichtbar wird. Es ist daher an der Zeit, sich mit einer Software-defined Infrastructure (SDI) auseinanderzusetzen, um den Wandel einzuleiten.

rené-büst-foto.1024x1024von René Büst, Crisp Research

Digitale Transformation beschreibt den fundamentalen Wandel von Unternehmen hin zu einer vollständig vernetzten digitalen Organisation. Auf Basis von neuen Technologien und Applikationen werden immer mehr Prozesse und Prozesselemente umgestaltet und an die Anforderungen (Echtzeit, Vernetzung) der digitalen Ökonomie angepasst. Aber was bedeutet Digitale Transformation speziell für die produzierende Industrie- und Fertigungsunternehmen und womit sollten sich diese Unternehmen unbedingt beschäftigen?

Industrie 4.0 erfordert ein Umdenken auf Infrastruktur-Ebene

Crisp Research’s „Digital Business Readiness“ Studie  hat ergeben, dass für über 70 Prozent der Unternehmen in der produzierenden Industrie die Digitale Transformation einen überdurchschnittlichen Einfluss hat. Das zeigt, dass die Branche die Ausläufer der Industrie 4.0 zu spüren bekommt und den Stellenwert der Digitalisierung für das eigene Kerngeschäft wahrnimmt. Das spiegelt auch die Zufriedenheit mit der bestehenden IT-Infrastruktur wider. Insbesondere die produzierende Industrie sieht einen weiteren Bedarf, ihre IT-Infrastrukturen innerhalb ihrer Cloud-Transformation und später für die Industrie 4.0 weiter aufzurüsten. Das aus gutem Grund. Bei rund 55 Prozent der Unternehmen aus der produzierenden Industrie zeigt sich ein Planungsstand, der die Umsetzung von Industrie 4.0-Szenarien kurz- und mittelfristig vorsieht. Jedoch scheint es, als ob die Industrie mehrheitlich noch in der Cloud-Transformation steckt, da die kurz- und mittelfristige Implementierung von Software-as-a-Service und Infrastructure-as-a-Service aktuell noch einen deutlich höheren Stellenwert besitzt.

 

Digital-TransformationParallel zu ihrer Cloud-Transformation sollten produzierende Unternehmen sich darauf konzentrieren, ihre Wertschöpfungsketten zu optimieren und firmenübergreifend, d.h. über alle Partner und Lieferanten hinweg, für eine nahtlose Integration sorgen. Das bildet die Basis für ein ganzheitliches digitales Engineering von Anfang (Konzeption & Prototyping) bis zum Ende (Produktion & Vertrieb) der Wertschöpfungskette. Hierbei sollte bewusst auf die Vernetzung mit der realen Welt geachtet werden und alle notwendigen Geschäftsprozesse berücksichtigt und digitalisiert werden. Ein maßgeblicher Einflussfaktor ist die vertikale Integration und Kommunikation aller Produktionssysteme. In der Industrie 4.0 wandelt sich der Begriff der Maschinenumrüstung zu der Rekonfiguration einer Maschine. In dieser sogenannten Smart Factory sind alle beteiligten Systeme und Komponenten intelligent miteinander vernetzt und können eine Rekonfiguration bei Bedarf in Echtzeit automatisch veranlassen.

In der IT spricht man in diesem Kontext von Software-defined Environments, bei der die Intelligenz nicht mehr direkt in den Hardwarekomponenten der IT-Infrastruktur steckt, sondern sich auf einer höheren Management-Ebene befindet. Die Konfiguration der gesamten Infrastruktur oder Teile davon lässt sich damit schneller vornehmen. Selbiges ist in der Industrie 4.0 mit den „Software-defined Machines“ vorhanden. Es muss daher eine Antwort auf die Frage gefunden werden, wie sich die Produktionssysteme so flexibel wie möglich neuprogrammieren lassen.

Software-defined Infrastructure: OpenStack und OpenDaylight betreten die Bühne

Für die Flexibilisierung auf Infrastruktur-Ebene setzen sich immer häufiger Software-defined Infrastructure (SDI)-Umgebungen durch. Hierbei handelt es sich um ein Konzept, bei der die gesamte technische Infrastruktur-Umgebung auf Basis von Software und ohne menschliche Interaktion gesteuert wird. Die Infrastruktur arbeitet dabei unabhängig von einer bestimmten Hardwarekonfiguration, besitzt keine technischen Abhängigkeiten und ist programmatisch erweiterbar. Die Idee des Konzepts besteht darin, die Infrastruktur je nach den Anforderungen einer Applikation zu definieren, automatisch herzuleiten und aufzubauen.

Zu den herausstechenden Vorteilen einer SDI besteht die Möglichkeit, den Übergang einer fertig konfigurierten Infrastrukturlandschaft zu einer anderen quasi ohne Unterbrechung sicherzustellen. Das bedeutet, dass sich eine komplette Infrastrukturlandschaft rein durch Software austauschen lässt. Damit lässt sich eine SDI-basierte IT-Umgebung wie eine typische Applikation auch versionieren und damit einem Rollback unterziehen bzw. klonen. Zu den typischen und zugleich wichtigen Elementen einer SDI-Umgebung gehören Software-defined Networks (SDN) und Cloud-Technologien für den Infrastrukturbau. Zu den derzeit wichtigsten Kandidaten gehören OpenStack und OpenDaylight.

  • OpenStack ist ein Open-Source-Projekt, mit dem sich komplexe Cloud Computing-Infrastrukturen aufbauen lassen. Es unterstützt IT-Architekten bei der Orchestrierung und dem Management ihrer Cloud-Umgebung. Gleichzeitig steht hinter der Open-Source-Lösung ein mächtiges Konglomerat von Anbietern, die versuchen, OpenStack und ihre darauf basierenden Services prominent im Markt zu positionieren. Ein weiterer Einfluss entsteht durch zahlreiche Entwickler und weitere Interessenten, die ihre Beiträge zu dem Projekt liefern. Derzeit beteiligen sich etwa 19.000 Individuen aus 144 Ländern an OpenStack. Das Open-Source-Projekt ist daher sowohl eine Interessengemeinschaft als auch eine Community. Die breite Unterstützung wird insbesondere dadurch deutlich, dass zahlreiche Service Provider und Softwarehäuser ihre Lösungen und Services kompatibel zu den OpenStack APIs entwickeln. OpenStack hat sich seit der Entstehung damit ebenfalls kontinuierlich zu einem Industrie-Standard entwickelt und wird der kommende de-facto Standard für Cloud-Infrastrukturen.
  • Bei OpenDaylight handelt es sich um ein Open-Source-Projekt, das im April 2013 ins Leben gerufen wurde und dessen Aufgabe darin besteht, einen offenen SDN-Controller zu entwickeln. Hierzu wird das Projekt von namenhaften Netzwerkanbietern wie Brocade, Citrix, Red Hat und IBM unterstützt. Mit Hydrogen erschien im Februar 2014 dann das erste stabile Release, das eine vollständige SDN-Software-Distribution zur Verfügung stellt, mit dem sich eine SDN-Infrastruktur aufbauen lässt. Wie bei OpenStack besteht OpenDaylight aus separaten Sub-Projekten, die unabhängig voneinander entwickelt werden und erst in der Summe eine fertige Lösung bilden. Halbjährliche Releasezyklen sollen für eine ganzheitliche Stabilität und Qualität sorgen. So erschien im Oktober 2014 das „Helium“ Release und im Juni 2015 das aktuelle „Lithium“ Release. Für Februar 2016 wurde bereits das „Beryllium“ Release angekündigt. Für die Anbindung externer Komponenten steht ein Plugin-System bereit, dass alle wichtigen Protokolle wie OpenFlow, Netconf oder Open Vswitch unterstützt. Für die Kommunikation mit Netzwerkapplikationen als auch Management- und Orchestrierungslösungen wie z.B. OpenStack Neutron greift OpenDaylight auf eine RESTful-API zurück.

Aus dem Open-Source-Universum kommend bilden OpenStack und OpenDaylight die ideale Kombination und gehören derzeit zu den gefragtesten Ansätzen für den Aufbau einer Software-defined Infrastructure. OpenStack nutzt OpenDaylight hierbei als Netzwerkmanagementlösung. OpenDaylight verwaltet im Gegenzug die Netzwerkkommunikation der OpenStack Compute Nodes. Das gute technische Zusammenspiel stellt aber nicht das einzige Argument dar. Insbesondere der Hardware-agnostische Ansatz, den sowohl OpenStack als auch OpenDaylight verfolgen, macht es für Unternehmen zunehmend interessant, ihre bestehende Hardwarelandschaft (Server, Storage, Router, Switches, etc.) in eine Software-defined Infrastructure zu überführen, ohne in neue Hardwarekomponenten zu investieren und stattdessen die Existierenden weiter zu verwenden.

„Infrastructure as Code“ als Teil der Software-defined Infrastructure

Im Rahmen ihrer digitalen Transformation gehen immer mehr Unternehmen dazu über, ihre individuelle Digital Infrastructure Platform zu entwickeln. Dabei handelt es sich um einen Stack von Software- und Service-Komponenten, die auf unterschiedlichen Ebenen für die notwendige Unterstützung sorgen. Erfahrungen zeigen dabei, dass Entwicklerkenntnisse, DevOps und Programmierkenntnisse immer wichtiger werden, um diese Software-defined Infrastructure aufzubauen. Denn in der IT werden heute und zukünftig Systeme konfiguriert, indem sie mit Programmcode oder Skripten programmiert werden – Stichwort: „Infrastructure as Code“. Selbst die Infrastrukturen der großen Public Cloud-Anbieter sind Programmierbaukästen, mit denen sich virtuelle Infrastrukturen auf den Cloud-Umgebungen entwickeln lassen, auf welchen dann die Web-Applikationen und eigene Services betrieben werden.

Das Thema „Infrastructure as Code“ ist unter den „coolen Jungs“ schon seit mehreren Jahren weit verbreitet und wird in den nächsten ein bis zwei Jahren endgültig auch in der Breite einen wichtigen Trend einleiten, um die Entwicklung und den Betrieb moderner, Cloud-nativer Applikationen zu unterstützen. Ein im Zusammenhang mit der Software-defined Infrastructure aufkommender Trend ist die „Autonomous Infrastructure“. Hierbei handelt es sich um Konzepte rund um den Aufbau und den Betrieb von selbstlernenden und damit einhergehend selbstheilendenden Infrastruktur-Umgebungen. Das bedeutet, dass IT-Infrastrukturen ohne manuelle bzw. menschliche Interaktionen

  • automatisch und eigenständig nach den jeweiligen Anforderungen (Rechenleistung, Speicherplatz, Netzwerk, Datenbanken usw.) der Workloads und Applikationen aufbauen.
  • ständig das verändernde Verhalten und den Zustand der einzelnen Infrastruktur-Komponenten analysieren und damit sich selbst verstehen lernen.
  • auf Zustände einzelner Infrastruktur-Komponenten reagieren bzw. proaktiv agieren, und im Fehlerfall eigenständig Aktionen auslösen, um die Komponente und damit die gesamte Infrastruktur wieder in einen fehlerfreien Zustand zu überführen.

Grundlage für den Trend der „Autonomous Infrastructure“ sind Machine Learning, Cognitive Computing sowie Predictive Maintenance-Konzepte.

Im Kontext der Industrie 4.0 können Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten mit solchen IT-Systemen auf Infrastruktur-Ebene entsprechend unterstützen. Diese müssen dafür sorgen, dass die Produktentwicklung, die Konfiguration der Produktionssysteme, die Produktion selbst sowie der Service der Produkte ganzheitlich unterstützt werden. Weiterhin gehört der Aufbau Software-basierter Produktionssysteme und deren intelligente vertikale Integration zu den Kerndisziplinen. Schließlich handelt es sich bei diesen Systemen um die Enabler für die produzierende Industrie, um die eigene Wertschöpfung flexibel an die wechselnden Marktgegebenheiten anzupassen. Berücksichtigt man in diesem Kontext das Digital Engineering, müssen alle erforderlichen Fachkenntnisse berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass die Ingenieure entsprechend weitergebildet werden müssen oder geeignetes Personal zu rekrutieren ist.

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