Die Digitalisierung läuft auf Hochtouren, grundlegende Veränderungen bleiben aber aus. Das bezieht sich nicht auf die Technologie, sondern auf die Organisationsstrukturen. Sie verursachen am häufigsten Probleme und stellen Unternehmen damit offenbar vor die größere Herausforderung. Aber obwohl CIOs das Problem auf Unternehmensebene erkennen und darüber klagen, schrecken die meisten vor der Neuausrichtung ihrer eigenen Abteilung zurück. Sie leiten häufig nur Maßnahmen ein, die wieder rückgängig gemacht werden können, und dementsprechend fehlt der große Wurf.
82,0 Prozent der CIOs im deutschsprachigen Raum sind der Meinung, dass die Digitalisierung die Geschäftsmodelle ihrer Branche verändert. Als Antwort darauf stellen die CIOs in erster Linie Mitarbeiter mit dem entsprechenden Know-how ein (82,7 %) und engagieren Beratungsunternehmen (66,0 %).
Vor tiefgreifenden organisatorischen Veränderungen wie dem Aufbau einer Innovationsabteilung, der Abflachung der Hierarchie und dem Austausch von Führungskräften schrecken die meisten aber zurück. Technologisch konzentrieren sie sich auf die bessere Vernetzung von Daten (88,3 %) und den Ausbau der Datenanalyse (78,2 %), die Entwicklung neuer Produkte und Services (80,8 %) sowie den Ausbau der Cloud-Kapazitäten (80,6 %).
Dies sind Ergebnisse der jährlichen IT-Trends-Studie von Capgemini. Insgesamt nahmen 148 IT-Verantwortliche von Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz teil.
Als die größten Hürden für die Digitalisierung bezeichnen die Studien-Teilnehmer den Fachkräftemangel, unflexible Geschäftsprozesse, starre Organisationsstrukturen, fehlende übergreifende Planung und unklare Verantwortlichkeiten.
„Die Digitalisierung ist offenbar weniger eine technische als vielmehr eine organisatorische Herausforderung. Althergebrachte Strukturen behindern den Wandel, sowohl auf Unternehmensebene als auch in der IT-Abteilung. CIOs, in deren Unternehmen Digitalisierung eine hohe Bedeutung hat, sind eher zu Veränderungen bereit. Das zahlt sich offenbar aus, denn diese Unternehmen sind bei der Vernetzung und Analyse der Daten weit fortgeschritten und bereits dazu übergegangen, aus den Erkenntnissen neue Produkte und Services zu entwickeln“, erklärt Dr. Uwe Dumslaff, Chief Technology Officer bei Capgemini in Deutschland die Ergebnisse.
Probleme mit agiler Arbeitsweise sorgen für lange Release-Zyklen
Der Einsatz agiler Methoden von der Entwicklung über den Betrieb, den Support bis hin zum Projektmanagement ist in den letzten zwölf Monaten stabil geblieben (durchschnittlich 23,3 im Vorjahr versus 24,2 % in der aktuellen Umfrage). Die Gründe dafür liegen offenbar in Schwierigkeiten mit der agilen Arbeitsweise, die Unternehmen entweder nicht in das althergebrachte Organisationsmodell integrieren können oder die von den Mitarbeitern nicht angenommen wird. Darüber hinaus klagen viele CIOs über Fachkräftemangel in diesem Bereich.
Unterm Strich verzögern die Probleme die Verkürzung der Release-Zyklen. Ein Drittel und damit die meisten Teilnehmer aktualisieren ihre Individualanwendungen lediglich ein- bis dreimal pro Jahr. Viele haben aber das Ziel, schneller zu werden: Die Mehrheit strebt ein Update pro Monat oder pro Woche an und hat demnach einen wesentlich höheren Änderungsbedarf als derzeit umsetzbar.
Konsolidierung von Big-Data-Anwendungen und steigende Cloud-Nutzung
In diesem Jahr betreiben 18,3 Prozent der Unternehmen im deutschsprachigen Raum eine oder mehrere eigene Big-Data-Anwendungen. Das sind unterm Strich weniger als im letzten Jahr (23,9 %). „Der Rückgang ist jedoch nicht unbedingt negativ, da in einigen Branchen bereits europa- oder weltweit konsolidiert wird“, kommentiert Thomas Heimann, Principal Enterprise Architect & Experte IT-Trends bei Capgemini. „Einige Pilot-Projekte enden auch in der Entscheidung, die Leistungen eines Anbieters zu nutzen oder abzuwarten, bis mehr Daten zur Verfügung stehen. Das Interesse an Big Data ist aber nach wie vor hoch und die Anzahl der Unternehmen, die sich in Workshops oder Pilotanwendungen mit Big Data auseinandersetzen, ist gestiegen.“
Auch die Cloud-Nutzung hat zugenommen: Inzwischen beziehen 75,0 Prozent der Unternehmen Services aus der eigenen und sogar 79,6 Prozent Leistungen aus einer Anbieter-Cloud. Die hohe Nutzerquote sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass letztere aber nach wie vor nur einen geringen Anteil an der Gesamtleistung haben. Sie stellen in diesem Jahr 10,2 Prozent aller IT-Services bereit (Vorjahr 6,5 %), während unternehmenseigene Clouds einen Anteil von 36,6 Prozent haben (Vorjahr 27,1 %). Insbesondere Großkonzerne und der Mittelstand haben die Cloud-Nutzung stark ausgebaut.
Top-Technologien des Jahres 2017: EU-Datenschutzgrundverordnung wirft ihre Schatten voraus
Die ersten Plätze auf der Liste der Top-Technologien des Jahres belegen Cloud Security, Security Automation, BYOx Security, Privacy by Design und Predictive Analytics. Die häufige Nennung von Sicherheitsthemen hat zum einen mit der aktuellen Bedrohungslage, zum anderen mit der EU-Datenschutzgrundverordnung zu tun. In ihrem Rahmen wird es neue Sicherheitsanforderungen geben, wie beispielsweise die Anwendung des Prinzips Privacy by Design.
In der Relevanz für das Unternehmen aus Sicht der IT fallen hingegen digitale Lösungen zur Verbesserung des Einkaufs- und Service-Erlebnisses in der Filiale, mobile Payment, Robotic Process Automation, mobile Services für Fahrzeuge und Wearables deutlich ab, sie sind die „Flops des Jahres“.
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