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Industrie 4.0: Virtueller Zwilling steuert die Produktion

Der digitale Zwilling ist in Echtzeit mit der realen Produktionsanlage synchronisiert. Foto: Fraunhofer IPK

Mit einem neuen Konzept wollen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK die Vision von Industrie 4.0 realisieren. Ein digitaler Zwilling bildet den gesamten Produktionsprozess ab und ermöglicht jederzeit den direkten Eingriff in die Fertigung. Reale und virtuelle Produktion verschmelzen zu einem intelligenten Gesamtsystem.

Die reale Produktionsstätte wird dabei vollständig auf digitaler Ebene nachgebildet. Es entsteht ein virtueller Zwilling, der nicht nur die Produktionsanlage mit allen Maschinen visualisiert, sondern auch die dynamischen Abläufe und das Verhalten der Systembestandteile während der Fertigung in Echtzeit wiedergibt. Im virtuellen Zwilling lässt sich der Fertigungsprozess detailliert beobachten. Zahlreiche Sensoren geben dabei den Betriebsstatus der einzelnen Arbeitsstationen laufend an das System weiter. Für die Steuerung der Produktion eröffnen sich somit neue Möglichkeiten. Die Produktionsplaner können den Herstellungsprozess im virtuellen Abbild analysieren und dann gegebenenfalls einzelne Schritte optimieren oder neu organisieren.

System reagiert intelligent auf Änderungen

Das Konzept des digitalen Zwillings gehe jedoch über ein bloßes Abbilden der realen Produktionsanlage hinaus. Tatsächlich funktioniere das System bidirektional. Denn auch auf der virtuellen Ebene könne man eingreifen und Änderungen vornehmen, die sich sofort simulieren lassen.

Auch die Änderungen in der realen Anlage sollen in den digitalen Zwilling eingespielt werden können. So könnte der Produktionsleiter beispielsweise weitere Maschinen für die Bearbeitung eines Werkstücks aktivieren oder einen zusätzlichen Arbeitsschritt einbauen, etwa, wenn eine Sonderanfertigung verlangt wird. Die Fertigung müsse dazu nicht gestoppt und neu konfiguriert werden, vielmehr reagiere das System intelligent auf jede Änderung und organisiert sich neu.

Reale und digitale Produktion verschmelzen

Durch die Verschmelzung von realer und digitaler Produktion soll ein Gesamtsystem entstehen, das sich im laufenden Betrieb selbst überwacht, steuert und korrigiert. Maschinen und Software kommunizieren, soweit erforderlich, unabhängig vom Menschen miteinander und halten so die Produktion in Gang. Sollte beispielsweise eine Störung vorkommen, wie etwa der Ausfall eines Aggregats, kann das System selbstständig entscheiden, wie das Problem zu beheben ist. Der verantwortliche Produktionsleiter sehe dann die Änderung in der Produktion, müsse aber nicht selbst eingreifen.

Über den digitalen Zwilling, den die Anlage kontinuierlich mit Daten füttert, lasse sich darüber hinaus die Qualität der Werkstücke und des Endprodukts laufend kontrollieren. Auch die Produktion einer Kleinserie mit individualisierten Einzelstücken lasse sich mithilfe dieses Konzepts schnell realisieren, und zwar so, dass die Gesamtproduktion nur minimal beeinträchtigt wird. Selbst die Herstellung von Einzelstücken (Losgröße-1-Produktion) werde durch den Einsatz von Produktmodellen für die Generierung von Produktionsmodellen (z. B. NC-Code) denkbar.

Vereinfachte Inbetriebnahme neuer Produktionsanlagen

Ein weiterer Vorteil: Der virtuelle Zwilling lässt sich auch bereits bei der Konzeption und beim Bau der Produktionsanlage einsetzen. Noch bevor das erste reale Werkstück bearbeitet wird, könne man so vorab den Produktionsablauf simulieren, Schwachstellen finden und optimieren. Auf diese Weise werde die Anlage bereits vor der Produktion virtuell in Betrieb genommen und getestet. Das beschleunige die Planung und erleichtere die Inbetriebnahme einer neuen Produktionsanlage.

Das Fraunhofer-Projekt liefere damit ein konkretes Beispiel, wie der Megatrend Industrie 4.0 funktionieren kann. Prof. Dr.-Ing. Rainer Stark, Projektleiter am Fraunhofer IPK, sagt: „Unser Ziel ist, zentrale Technologien, Prozesse und Methoden von Industrie 4.0 nicht nur zu beschreiben, sondern wirklich erlebbar zu machen.“ Gemeinsam mit Industriepartnern wollen der Fraunhofer-Experte und sein Team schon bald erste Pilotprojekte zur Marktreife bringen.

Um das Konzept realisieren zu können, mussten die Fraunhofer-Experten eine Reihe von technischen Herausforderungen bestehen. Viele der Techniken und Anwendungen für den digitalen Zwilling waren noch nicht verfügbar, die Forscher mussten sie daher eigens entwickeln. „Wir wollen gänzlich auf proprietäre Komponenten verzichten und bei allen Schnittstellen hundertprozentig kompatibel mit Industriestandards sein. Gleichzeitig darf das System nicht zu teuer werden, die Investition soll sich schließlich für das Unternehmen schnell amortisieren“, erklärt Stark.

Kombination aus physischen und virtuellen Sensoren

Ein Highlight sei beispielsweise die verwendete Sensortechnik. Die Fraunhofer-Ingenieure nutzen eine Kombination aus physischen und virtuellen Sensoren. Dabei verarbeiten virtuelle Sensoren die Messdaten zu komplexen Reports über den Status der Anlage. Ein technisches Kernstück sei beispielsweise die Datenübertragung – sie ist innerhalb der Produktionsanlage und zum Kontrollzentrum hybrid ausgelegt. Es kommen also sowohl klassische Funkstandards wie WLAN und LTE als auch Industriestandards wie EtherCAT zum Einsatz.

Die Technik lasse sich beliebig skalieren. Sie sei in der Lage, einzelne Anlagen zu steuern, könnte aber auch eine ganze Fabrik überwachen. Die Grenzen liegen hier nur in der Rechnerleistung und den Netzwerkkapazitäten. Eine gewisse Einschränkung sei auch der jeweils nötige Aufwand bei der Modellierung und der Detailtreue beziehungsweise Granularität des digitalen Zwillings.

Bleibt die Frage nach der Sicherheit. Auch daran haben die Techniker gedacht: Das ganze System bewege sich innerhalb eines separaten internen Netzwerks, das durch eine Firewall und streng kontrollierte Freigabe einzelner Ports geschützt wird.

Wie das System funktioniert, demonstriert das IPK vom 24. bis 28. April auf der Hannover Messe (Halle 17). Gezeigt wird dabei eine Anlage zur Produktion von Getränkeuntersetzern, die jeweils individualisiert angefertigt werden.

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One comment

  1. IoT ist die Grundlage für die Digitalisierung aller Lebensbereiche, Geräte aus allen Bereichen lernen miteinander zu kommunizieren. Im unternehmerischen Bereich erfolgen mit Unterstützung des IOT Analysen in Echtzeit. Es gibt auch viele interessante und aufschlussreiche Videos über das Thema Digitalisierung der Arbeitswelten.

    Hier mal ein anschauliches Beispiel: goo.gl/48Rpou

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