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Supply Chain der Zukunft: Wie sich Lieferketten im Zeichen der Digitalisierung verändern

Bildquelle: Pixabay

Die Zukunft der Supply Chain haben am 21. und 22. Juni mehr als 120 Spezialisten, Manager und Wissenschaftler in Heidelberg bei den 11. Supply Chain Days diskutiert. Im Fokus: Wie die Digitalisierung das Supply-Chain-Management der Unternehmen verändert. Eingeladen zu der zweitägigen Fachkonferenz hatte die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY.

In seiner Eröffnungsansprache erläuterte Dr. Christoph Kilger, Leiter Supply Chain & Operations bei EY, wie sich die traditionelle Auffassung von Supply Chain Management als Integration von Lieferanten, Herstellern und Kunden wandelt zu einem Eco-System von Firmen. Diese „Supply Chain of the Future“ basiert auf Cloud-Plattformen, über die die zunehmende Arbeitsteilung in der Industrie organisiert und eine hohe Datentransparenz und -integration erreicht wird. Das Ziel dieser digitalen Supply Chain ist die Steigerung der Produktivität.

Daran knüpfte Prof. Clemens Fuest, Präsident des Münchner IFO-Instituts in seiner Key Note an und stellte dar, wie Digitalisierung die Produktivität von Marktwirtschaften beeinflusst. Laut Fuest lassen sich makro-ökonomisch die Effekte der Digitalisierung nur schwer nachweisen, weil zu viele Einflüsse sich überlagern. Mikro-ökonomisch erhält man jedoch klare Hinweise, dass Digitalisierung die Produktivität von Unternehmen steigert.

Praxisbeispiele: Unternehmen erfinden sich neu

Dr. Stephan Fischer, Leiter Softwareentwicklung bei Trumpf Werkzeugmaschinen, stellte vor, wie Trumpf sich seit Firmengründung mehrmals komplett gewandelt und neu erfunden hat und jetzt vor der digitalen Transformation steht: Trumpf wird sich zu einem Unternehmen entwickeln, dass seinen Kunden dabei hilft, mittels Digitalisierung in der Fertigung produktiver zu werden. Bislang hat Trumpf dies über effizientere Maschinen getan, jetzt kommen Softwareansätze und Vernetzung von Maschinen mit digitalen Plattformen hinzu.

Einen Gegenpunkt hierzu setzte Gustavo Ghory von Procter & Gamble: P&G ist eines der produktivsten Unternehmen in der Konsumgüterindustrie, mit jährlichen Produktivitätszuwächsen von 6 Prozent und strukturellen Einsparungen von 5 Milliarden US-Dollar. Diese Ergebnisse hat P&G zunächst ganz ohne Digitalisierung erreicht, nämlich mit der evolutionären Entwicklung eines systematischen Produktionssystems über viele Jahre, das alle Mitarbeiter einbezieht und eine Kultur etabliert, in der Produktionsverluste rigoros verfolgt und ausgemerzt werden. Laut Ghory ist es erst danach sinnvoll, mit der Digitalisierung der Produktion zu beginnen.

Visionen einer voll automatisierten Unternehmensführung durch Digitalisierung

Im Vortrag des CFOs der Siemens Digital Factory Division, Miguel-Angel López, wurden dagegen die Vorteile einer integrierten cloud-basierten IT für die Produktion hervorgehoben. Siemens bietet hierfür das Konzept des Digital Twins an, eines digitalen Zwillings des Produktes und des Produktionssystems. Das digitale Produktmodell repräsentiert die Eigenschaften des Produktes, so dass mit dem digitalen Modell der Produktion die Abläufe und Verfahren simuliert und optimiert werden können, ohne physische Prototypen oder ähnliches bauen zu müssen.

Dieser Aspekt der Automatisierung wurde auch von Andreas Homolla aufgegriffen, CIO der Drägerwerke, der in seinem Vortrag „Driverless Company“ die Vision einer (nahezu) voll automatisieren Unternehmensführung durch Digitalisierung entworfen hat.

„Es fehlt noch das Uber für die Industrie“

Ein wichtiger Aspekt der Digitalisierung ist die Ausprägung von Plattformen und Marktplätzen, die Kunden und Anbieter zusammenbringen. Die Betreiber der Plattformen und Marktplätze erhalten dadurch tiefgehenden Einblick in das Verhalten der beteiligten Mitspieler – und können diese Daten entsprechend wirtschaftlich verwerten.

Christoph Bornschein, Gründer und CEO der Digital-Agentur Torben, Lucy und die gelbe Gefahr, betonte in seiner Dinner Speech, es werde künftig nur noch zwei Arten von Menschen geben: Die, die Computern sagen, was sie zu tun haben, und die anderen, denen Computer sagen, was sie zu tun haben. Er wies darauf hin, dass die deutsche Industrie sich dringend mit der Etablierung digitaler Plattformen für den industriellen Bereich beschäftigen muss, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass diese in den USA entwickelt und nach Europa exportiert werden. „Es fehlt noch das Uber für die Industrie“, war eine Aussage von Bornschein.

Bei ebenjenem Uber beschäftigt sich Garrett van Ryzin mit dem Engineering von Marktplätzen und dynamischem Pricing, um Bedarf und Supply so in Einklang zu bringen, dass die Kundenanfragen zu 100 Prozent bedient werden können. Dieses Prinzip kann auch auf Supply Chains übertragen werden, bspw. bei Dienstleistern, die 3D-Druck als Service anbieten oder Werkstätten, die mechanisch bearbeitete Teile als Auftragsfertiger für Industrieunternehmen herstellen.

Offenheit der Unternehmen muss steigen

Prof. Dr.-Ing. Kai Furmans vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) stellte fest, dass auch in digitalisierten Lieferketten die dynamischen Grundgesetze von Wertschöpfungsnetzwerken beachtet werden müssen. Digitalisierung der Supply Chain funktioniert laut Furmans nur, wenn die Lieferkette als Regelkreis verstanden wird. Die Einstellung „Ich verstehe das System nicht – aber der Computer wird mir helfen, alles zu ordnen“ bezeichnete Furmans als „unerfüllbaren Traum“.

In der von Dr. Kilger moderierten Podiumsdiskussion waren sich die Teilnehmer einig, dass cloud-basierte Systeme die Transparenz in der Supply Chain steigern, dass aber gleichzeitig die Offenheit der Unternehmen steigen muss, Daten mit anderen zu teilen. Frauke Heistermann von Axit und Siemens Postal, Parcel & Airport Logistics GmbH formulierte: „Es muss eine neue Vertrauenskultur entstehen.“ Gleichzeitig müsse sich aber auch die Ausbildung von Mitarbeitern ändern: Mathematiker und Physiker werden hier eine wichtige Rolle spielen, um den Bedarf an Data Scientists zu decken. Das Panel äußerte zudem die Erwartung, dass auch Ingenieure und Betriebswirte stärker in digitale Themen hineinwachsen.

Das Fazit von Ernst Esslinger, Director Methods/Tools bei der HOMAG GmbH: „Ich war 2017 zum ersten Mal bei den Supply Chain Days in Heidelberg. Man merkt sofort, hier treffen sich Supply Chain Profis, die mit Leib und Seele dabei sind. Zahlreiche Fachvorträge aus der Industrie, dem Handel und dem Dienstleistungs- und Service-Gewerbe regen zur Diskussion an. Kritische Beiträge hinterfragen die aktuellen Trends der Digitalisierung. Besonders wertvoll war der enge persönliche Erfahrungsaustausch mit den hochkarätigen Teilnehmern und Referenten.“

Die nächsten Supply Chain Days finden am 6. und 7. Juni 2018 statt.

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