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Digitalisierung im Handel: Mehr Mut zu radikalen Entscheidungen

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Die Entwicklungen, die den Handel derzeit am stärksten beeinflussen, heißen: Personalisierung, Individualisierung von Produkten bis zur Losgröße 1 und High-end-Dienstleistungen durch Datenanalyse. Denn alles dreht sich um den Kunden – und um eine First-class-Customer Journey. Wer hier auf Basis entsprechender Technologien nicht mithalten kann, hat schon verloren.

Michael Tsifidaris, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der KPS, einer Managementberatung für Business Transformation im Handel, rät zu mehr Mut bei radikalen Entscheidungen und zum Befreiungsschlag – wenn nötig zum kompletten Neuaufbau der Handelsplattform. Denn wenn die heute von Handelsunternehmen verwendete Technologie die Kundenanforderungen nicht erfüllen könne, werde das auch in Zukunft nicht der Fall sein. Deshalb sollten die Bemühungen und Investitionen eher in ganz neue Technologie fließen, die einen zügigen Wandel ermöglicht und Prozesse so gestaltet, dass die Kundenbedürfnisse im Mittelpunkt stehen.

Innovation: Damit Customer Obsession nicht zum Customer Desaster wird

Geschwindigkeit und Agilität sind heute gefragt, beim Shoppen, beim Service und in der Logistik. „Und wer sich hier mit IT-Altlasten herumplagen muss und immer wieder renoviert statt innoviert, gerät schnell ins Aus. Dann wird Customer Obsession zum Customer Desaster“, so Tsifidaris.

Vor allem das „Silodenken“ hat in der Ära der digitalen Transformation keinen Platz mehr. Denn alle Prozesse – aus Herstellung, Verkauf, Logistik und Service – sind zunehmend vernetzt und liefern dank moderner Analysetools und Auswertungstechniken wertvolle Erkenntnisse. Dazu kommen weitere Daten, beispielsweise aus dem Internet der Dinge via Sensoren und Informationen aus sozialen Netzwerken, die es zu nutzen gilt. „Mit IT-Silos und Herrschaftswissen der verschiedenen Fachabteilungen bewegt sich ein Unternehmen hier nicht vorwärts.“

Es gibt zwei Lager: Angreifer und Verteidiger

Michael Tsifidaris

Der Fachmann in Sachen Omnichannel teilt die Handelsbranche in zwei Lager: Die Angreifer und die Verteidiger. „Die Angreifer investieren massiv in Innovationen, und die Verteidiger warten erstmal, was der Wettbewerb macht.“

So reiche dem Verteidiger oft lediglich eine App, um mit dem Kunden in Kontakt zu treten. „Dem Angreifer reicht das lange nicht“, weiß Tsifidaris. Denn Digitalisierung greift tief in die Prozesse ein. Und so investiert der Angreifer beispielsweise in neue CRM- und Marketing-Lösungen, in eine innovative Warenwirtschaft und Kanal-übergreifende, hocheffiziente Analysesysteme. Hier zitiert er Ikea Österreich, das eine neue drahtlose Art der Kundenkommunikation testet: Beacons. Die kleinen Bluetooth-Sender schicken Botschaften an die Mobiltelefone der Kunden, während sie bei Ikea im Laden einkaufen. Wer die Ikea Familiy-App installiert und seine Bluetooth-Funktion aktiviert hat, erhält bei Ikea in Graz Nachrichten wie „Zeit für eine Pause! Z.B. mit einem gratis Kaffee für Ikea Family-Mitglieder und einem saftigen Himbeerkuchen.“ „Die Technik muss, wie hier, in der Lage sein, den Kunden automatisiert zu begleiten. Das gilt für den stationären genauso wie für den Online-Handel“, erklärt Tsifidaris.

Er führt aus: „Wenn ich den Kunden kenne und im Shop identifiziert habe, kann ich ihm beispielsweise Sonderangebote machen und ihn auf Lieblingsprodukte hinweisen. Die muss ich dann allerdings auch prompt liefern können und damit mein Versprechen halten.“

Nicht nur ansprechen, sondern Versprechen halten

Beispiel: Juwelier Christ. Das Unternehmen hat seine Zugriffsprognosen am Black Friday im November 2016 um über 50 Prozent übertroffen. Auf den Ansturm zum Beginn der Vorweihnachts-Saison hat sich der Händler mit KPS-Unterstützung vorbereitet.  Dazu wurde die Leistungsfähigkeit des Shopsystems deutlich gesteigert und die Conversion-Rate optimiert. Wichtige Hardware-Komponenten wurden in sämtlichen Bereichen ergänzt, zugleich wurde die Software auf höhere Performance getrimmt. „Obwohl die Nachfrage weit über unseren Erwartungen lag, haben wir durchgängig liefern können“ so Alexandra Zanders, Geschäftsleiterin E-Commerce von Christ.

Zu den Innovatoren zählt auch ein großer deutscher Discounter. Mit rund 10.000 Filialen und mehr als 140 Logistikzentren ist er eines der größten Handelsunternehmen in Europa. Bereits seit Mai 2015 setzt das Unternehmen für sein Geschäft in Österreich ein Warenwirtschafts- und Informationssystem auf Basis von SAP for Retail powered by SAP HANA ein. Der Roll-out in weitere Regionen ist in vollem Gange.

Altsysteme bremsten die Digitalisierung

Das alte Warenwirtschaftssystem war in punkto Zukunfts- und Weiterentwicklungsfähigkeit an seine Grenzen gekommen: ein selbstentwickeltes Altsystem mit zum Teil fehlender Prozessdurchgängigkeit, redundanter Stammdatenpflege, Systembrüchen sowie funktionalen Einschränkungen. Die vielen Schnittstellen, Module und eine dezentrale Serverstruktur machten den Betrieb und die Wartung immer aufwendiger.

Deshalb startete das Unternehmen mit der Implementierung von SAP Retail powered by SAP HANA die größte IT-Umstellung in seiner Firmengeschichte – und einen Neuanfang. Die entsprechenden Prozessketten wurden mittels dem agilen Ansatz „KPS Rapid Prototyping“ definiert, global vereinheitlicht und auf einer zentralen SAP-Plattform umgesetzt. Mit den SAP- Technologien lassen sich jetzt zeitnahe Auswertungen und Bestände zur Verfügung stellen sowie die Folgesysteme versorgen. Ein Enterprise-Service-Bus bindet die Systeme an, so dass Daten nicht mehr redundant vorliegen.

Für die Lösung erhielt das Unternehmen einen SAP Quality Award EMEA in der Kategorie HANA. Ausschlaggebend für die Verleihung: SAP-Implementierungen müssen dem Unternehmen echten Nutzen bringen und termingerecht und innerhalb oder sogar unterhalb des vorgesehenen Budgets realisiert werden.

Und so war die Jury denn auch von den äußert schnellen ersten Rollouts in Österreich und Nordirland beeindruckt. Erreicht wurde dies durch ein engagiertes internationales Projektteam, das für eine sorgfältige Planung und Durchführung sorgte und über effiziente Entscheidungsstrukturen verfügte. Für die erste Regionalgesellschaft des Unternehmens wurden in Österreich an nur einem Wochenende alle Systeme umgestellt und die Filialen erfolgreich live gesetzt. Bereits samstags konnten erste Bestellungen abgearbeitet werden. Bestandsauswertungen lassen sich nun nahezu in Echtzeit anschauen.

Können sich auch mittelständische Händler das leisten?

Digitalisierung, Cloud und Datenanalyse sind längst im Mittelstand angekommen.  Denn die „Amazonisierung“ macht vor dem KMU-Segment nicht Halt. Auch mittelständische Unternehmen müssen ihre Käufer begeistern: bei der E-Mail-Kommunikation, der Bestellung im Online-Shop, dem Telefonat mit der Service-Abteilung oder auf Facebook. Alle Informationen über alle Kanäle hinweg müssen gesammelt und analysiert werden, so dass der Händler immer persönlich und schnell reagieren kann. Das Motto: Qualität, Tempo und Kundentransparenz.

IT-Lösungen aus der Cloud sind hier für KMU ein optimales Instrument. „Der mittelständische Händler muss sich innovative Lösungen einfach leisten, wenn er überleben will. Denn den Wettbewerb der Zukunft entscheidet die innovativere Lösung. Es geht ja nicht ausschließlich darum, den Kunden zu verwöhnen, sondern letztlich um Profitabilität und erfolgreiche Geschäftsmodelle“, so das Fazit von Tsifidaris.

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