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Innovations-Erfolgslücken in deutschen Unternehmen werden größer: Technologie ist überall – Mehrwert nicht

Quelle: Accenture

Die Zeiten statischer IT-Stacks und Legacy-Rechenzentren sind vorbei: Die Zukunft gehört flexiblen Architekturen, die Unternehmensgrenzen hinter sich lassen und Anwendern jederzeit das zur Verfügung stellen, was sie für ihre Arbeit benötigen. Aus einzelnen Anwendungen werden damit flexible Systeme. Die Studie des Beratungsunternehmens Accenture über diese „Future Systems“ will den enormen Einfluss veranschaulichen, den Technologie-Investition und -Implementierung auf die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens haben.

Der Untertitel der Future Systems-Studie „Mehr Wert. Die Zeit ist reif“ zeigt ihren Fokus auf: Es geht darum, wie Unternehmen über die Skalierung von Innovationen den vollen Wert ihrer Technologieinvestitionen ausschöpfen. Betrachtet wurden sowohl bereits ausgereifte Technologien als auch neue wie Künstliche Intelligenz, Blockchain und Extended Reality. Konkret schätzten die befragten Unternehmen drei Bereiche ein: Technologieeinführung, Tiefe der Technologieeinführung sowie organisatorische und kulturelle Bereitschaft zur Technologieeinführung. Durch die Vergabe eines Scores für jeden dieser Schlüsselfaktoren wurden die „Leaders“ (Vorreiter; Top 10 %) und die „Laggards“ („Nachzügler“; untere 25 %) ermittelt.

Über Teilprozesse hinausdenken

Im Vergleich zu den Nachzüglern, steigern die Vorreiter ihre Einnahmen durch die richtige Einführung von Technologien mehr als doppelt so stark. Im Jahr 2018 haben Nachzügler aus Deutschland so auf 16 Prozent ihres möglichen Jahresumsatzes verzichten (weltweit: 15 %). Wenn sie nichts ändern, entgehen ihnen 2023 bereits ganze 47 Prozent (weltweit: 46 %).

Schwer tun sich dabei nicht nur jene Unternehmen, die mit einer alten IT zu kämpfen haben. Auch einige volldigitale Firmen haben Schwierigkeiten, mehr aus ihren Technologien herauszuholen und die Differenz zwischen Potenzial und realisiertem Wert ihrer Technologieinvestitionen zu schließen. Sie setzten zwar von Beginn an auf Technologien wie die Cloud, aber viele schaffen es nicht ihre Systeme an das rasante Tempo technologischer Veränderungen anzupassen.

Quelle: Accenture

„Innovation ist kein Selbstzweck. Den tatsächlichen Wert einer neuen Technologie setzen aber nur jene Unternehmen frei, die über Teilprozesse hinausdenken“, kommentiert Jürgen Pinkl, Leiter des Geschäftsbereichs Technology bei Accenture in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Innovation muss das gesamte Unternehmen durchdringen. Wenn sie das tut, wenn sie also wirklich skaliert, dann stimmt auch die Rendite. Und damit die Zufriedenheit.“

Der Wettbewerb in einer datengesteuerten und zu großen Teilen bereits digitalisierten Wirtschaft erfordere von Unternehmen eine sorgfältig abgestimmte Strategie zur Technologieeinführung. Zudem sei es essentiell, eine klare Vorstellung davon zu haben, wie die zukünftigen Systeme des eigenen Unternehmens aussehen sollten, um letztlich Innovation in einen konkreten Nutzen zu überführen.

Große Unterschiede in verschiedenen Branchen

Wie viel besser die Vorreiter gegenüber den Nachzüglern hier abschneiden, unterscheidet sich je nach Branche teils stark. Extrem groß ist die Lücke in der deutschen Automobilindustrie und im Einzelhandel. Vorreiter in diesen Branchen sind um ein Vielfaches erfolgreicher als jene, die technologische Innovation nur wenig skalieren. In den genannten Branchen ist das disruptive Potenzial besonders groß. So werden jahrzehntelang gültige Prinzipien der Automobilindustrie durch Entwicklungen wie E-Mobilität und autonomes Fahren grundlegend verändert.

Der Einzelhandel müsse sich ohnehin neu erfinden: Das klassische Retail-Geschäft stemmt sich dem Online-Handel entgegen; Plattformanbieter wie Amazon und eBay haben die besten Karten.

Deutlich geringer sei der Unterschied in der Chemieindustrie, das könnte daran liegen, dass die Unternehmen hier besonders rege innovative Technologien einführen. Das gilt in praktisch allen Bereichen – von der Fertigung über Forschung und Entwicklung bis hin zum Supply Chain Management.

Vorreiter seien vor allem überzeugt, dass Mensch und Maschine einander perfekt ergänzen können und Innovationen sich skalieren lassen – sowohl innerhalb eines Unternehmens als auch im gesamten Partnerökosystem. Auch deshalb wollen sie Future Systems aufbauen, die spezifische Eigenschaften haben wie:

  • Boundaryless: Sie nutzen die Vorteile verschwimmender Grenzen – ob innerhalb von IT-Strukturen, zwischen Unternehmen oder zwischen Mensch und Maschine, um neue Räume für Ideen und Partnerschaften zu schaffen.
  • Adaptable: Sie lernen nicht nur, verbessern und passen sich selbst an, sie verringern außerdem Konflikte, die das Geschäftswachstum behindern. Zudem befähigen sie den Menschen, Entscheidungen besser und exponentiell schneller zu treffen.
  • Radically human: Sie sprechen, hören, sehen und verstehen wie wir, vereinfachen damit jede Mensch-Maschine-Interaktion und schaffen so Vorteile für das Geschäft von morgen.

Eine zukunftsweisende Denke, das viel beschworene Mindset, sei das eine. Am Ende zähle aber, was man daraus macht. Denn die befragten Unternehmen bringen theoretisch alle wichtigen Voraussetzungen mit. Mit Blick auf erfolgreiche Innovationen besteht zwischen Vorreitern und Nachzüglern eine große Lücke – vor allem in Deutschland. Die Accenture-Studie zeige: Vorreiter haben sich spezifische Vorgehensweisen angeeignet, mit denen sie sich vom Wettbewerb abheben. Doch auch andere Unternehmen können diese Wege erlernen.

5 Methoden, um Innovationslücke zu schließen

Die Autoren der Studie haben fünf Methoden identifiziert, mit denen Vorreiter ihre Innovationserfolgslücke nachhaltig schließen:

  1. Schnelle und flexible Technologien: 88 Prozent der Vorreiter in Deutschland (global: 83 %) halten es für wichtig, ihre Daten von der historisch gewachsenen Infrastruktur zu entkoppeln, um so für mehr Flexibilität und eine IT, die sich schneller und häufiger neu erfindet, zu sorgen. Bei den Nachzüglern sind es nur 27 Prozent (global: 37 %).
  2. Cloud-Computing: Die Cloud ist Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Future Systems – von Künstlicher Intelligenz bis zu Analytics. Jedes Vorreiterunternehmen in Deutschland hat bereits fortgeschrittene Cloud-Services wie das Serverless Computing eingeführt – im globalen Durchschnitt sind es immerhin 95 Prozent. Bei den Nachzüglern hingegen sind nur 29 Prozent soweit (global: 30 %).
  3. Daten als Vermögenswert: Vorreiter legen großen Wert auf die Qualität ihrer Daten. Veraltete oder fehlerhaft erhobene Informationen können zu falschen Ergebnissen und damit schlechteren Entscheidungen führen. Sicherheitsmaßnahmen helfen ihnen, Fehlerquellen und andere Risiken frühzeitig zu erkennen. Darüber hinaus geben Vorreiter einen ethischen Rahmen für die Verwaltung und Auswertung von Daten durch KI-Systeme vor. Sie ergreifen Maßnahmen, um die Beeinflussung der Algorithmen durch Bias von vornherein zu vermeiden. Einen solchen systematischen KI-Ansatz verfolgen 95 Prozent der deutschen Vorreiter und nur 40 Prozent der Nachzügler.
  4. Verwaltung von Technologieinvestitionen: 83 Prozent aller Vorreiter in Deutschland nehmen transparente Einsicht in ihre unternehmensweiten Technologieinvestitionen. Bei Nachzüglern sind das nur 39 Prozent. Die führenden Unternehmen arbeiten außerdem daran, IT-Abteilungen und Fachbereiche im Sinne eines Business Alignment stärker zusammenzuführen. Und generieren einen steten Strom an neuen Ideen in ihren Innovationszentren.
  5. Förderung ihrer Mitarbeiter: Für den Aufbau von Future Systems sind Investitionen in Mitarbeiter essentiell. Doch häufig arbeitet die Belegschaft noch mit der Technologie von gestern. Ohne weitere Qualifizierungsmaßnahmen wird ein Großteil der vorhandenen IT-Kompetenzen in den nächsten drei Jahren obsolet werden. Vorreiter bieten mehr als doppelt so viele Lehrstellen an wie Nachzügler (in Deutschland: 88 versus 39 %, global: 79 versus 36 %). Dreimal so häufig verwenden sie zudem experimentelle Lernformen, darunter Gamification oder AR/VR-Inhalte (in Deutschland: 60 vs. 21 %; global: 73 versus 24 %).

Im internationalen Vergleich liegen deutsche Unternehmen insbesondere bei der kulturellen und organisatorischen Innovationsbereitschaft zurück. So sagen 61 Prozent der Unternehmen weltweit, sie hätten eine „Start-up-Kultur“, durch die schnell Minimum Viable Products entwickelt würden. In Deutschland sind es nur 53 Prozent.

Deutsche Vorstände sind zögerlich bei digitalen Innovationen

Ähnliche Differenzen gibt es in puncto Fehlerkultur. Besonders auffällig ist aber etwas anderes: Die deutschen Vorreiter sind mit ihren Investitionsrenditen wesentlich unzufriedener als die globalen. Von 2015 bis 2018 hat jeder dritte deutsche Vorreiter seinen Umsatz um mindestens 11 Prozent gesteigert – global waren es 41 Prozent. Eine Steigerung der Bruttomargen um mindestens 11 Prozent gelang lediglich einem knappen Viertel (24 %) der deutschen Vorreiter – gegenüber 37 Prozent aller Vorreiter weltweit. In Deutschland spielt der industrielle Sektor eine deutlich wichtigere Rolle als beispielsweise in der Schweiz, Frankreich, Großbritannien oder den USA. Die Vermutung liege nahe, dass sich Innovationen in Dienstleistungssektoren leichter skalieren lassen.

„Wir beobachten, dass die deutschen Vorstände vergleichsweise zögerlich und weniger systematisch an digitale Innovationen herangehen als etwa die amerikanischen oder chinesischen“, fasst Pinkl zusammen. „Es scheint ihnen außerdem schwerer zu fallen, die richtigen Messgrößen für eine erfolgreiche Skalierung zu definieren und zu ermitteln.“

Über die Studie: Sie baut auf Accentures erstem Bericht über Future Systems aus dem letzten Jahr auf, und basiert auf einer Umfrage unter mehr als 8.300 Unternehmen aus 20 Branchen und 22 Ländern – davon 543 Unternehmen aus Deutschland. Die Studie umfasst einen Zeitraum von 2015 bis 2023 (Prognose).

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