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Digitale PR: „Wir alle sitzen in einem großen Labor“

Neue Kanäle, rasant wachsende Plattformen, Künstliche Intelligenz und sich rasch wandelndes Userverhalten – diese und andere Entwicklungen verändern die Aufgaben und Möglichkeiten von PR-Verantwortlichen. Wie ist der Status quo in der Kommunikationsbranche und welche Trends werden sich durchsetzen?

Diese und weitere Fragen untersuchte Marketagent.com im Rahmen der Umfragereihe PR-Trendradar im Auftrag von APA-Comm. Die Ergebnisse wurden in Wien präsentiert und von PR-Expertinnen und -Experten diskutiert.

Ein ausgewogener Mix aus analoger und digitaler Kommunikation werde sich in Zukunft bewähren, darin sind sich 96 Prozent der Befragten, erklärte Lisa Patek, Marketing Managerin bei Marketagent.com. Etwa drei Viertel sind der Ansicht, dass Unternehmen ohne digitale PR langfristig nicht erfolgreich sein können. Das Bewusstsein für die Bedeutung einer dokumentierten Strategie für digitale Kommunikation ist gestiegen. Während bei einer Trendradar-Umfrage im Jahr 2017 noch mehr als die Hälfte angab, ohne eine solche zu arbeiten, waren es 2020 nur noch 21 Prozent.

Trends der digitalen Kommunikation

Personalisierte Inhalte und Angebote stellen für 62 Prozent der Befragten den bedeutendsten Trend in der digitalen PR dar, gefolgt von Live-Videos (33 %) und Künstlicher Intelligenz (30 %). Bei den Kommunikationskanälen liegt Instagram an der Spitze: 62 Prozent gehen davon aus, dass die Foto-Plattform in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen wird – auch YouTube (61 %) und LinkedIn (53 %) wird wachsende Relevanz für die PR-Branche zugesprochen.

Das globale Mega-Thema Künstliche Intelligenz sei für viele Kommunikationsprofis bereits im beruflichen Alltag angekommen. 34 Prozent nutzen derartige Algorithmen für Medienmonitoring, 28 Prozent für Medienanalyse und etwa ein Fünftel für automatisierte Datenanalyse.

Als wesentliche Vorteile werden „Erleichterung der Arbeit“ und „Entlastung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ gesehen. „Mehr Fehler durch Algorithmen“ und „Mangelnde Qualität des Output“ sind laut Umfrage die größten Herausforderungen. Die Hälfte der Befragten verwendet in ihrem Arbeitsbereich noch keine Tools oder Technologien, die auf Künstlicher Intelligenz beruhen.

Mehr Kanäle, mehr Interaktion

Die Expertinnen und Experten auf dem Podium hatten unterschiedliche Einschätzungen zur digitalen PR von heute und morgen. „Der klassischen PR kommt das Geschäftsmodell abhanden“, so Thomas Lutz, Head of Communication von Microsoft Austria. PR bestehe nicht mehr darin, sich nur auf Medien zu konzentrieren. Er habe den Ansatz, sein eigenes Medium zu sein, erklärte Lutz: „Ich habe mein eigenes kleines Portal und über das steuere ich meine Inhalte – ich nenne das ‚Amplified Media‘ – ich versuche, das was ich als Content habe, zu verstärken, über Social Media hinaus in die verschiedensten Kanäle zu verbreiten.“

Julia Wippersberg, Geschäftsführerin von APA-OTS, unterstrich, dass PR kein Selbstzweck sei. Es gehe nie nur darum, die Medien zu erreichen, Kommunikation müsse für das Unternehmen arbeiten und zur Wertsteigerung beitragen. „Image und Reputation sind Wege dorthin, aber nicht das ausschließliche und letztgültige Ziel von Kommunikation“, bekräftigte Wippersberg. Digitale Kanäle hätten einen entscheidenden Vorteil, da Kundinnen und Kunden einem Unternehmen direkt sagen können, was sie an einem Produkt nicht gut finden. „Die, für die wir die Kommunikation machen, können wir durch digitale PR viel besser einbeziehen“, fasste die Expertin zusammen.

Ethische Fragen durch neue Möglichkeiten

„Wir alle sitzen in einem großen Labor – gesellschaftlich betrachtet“, erläuterte Susanne Grof-Korbel, Geschäftsführerin von bettertogether und machte auf sensible Aspekte der neuen digitalen Möglichkeiten aufmerksam. Diese Laborsituation bringe viele ethische Fragestellungen mit sich, gerade dort, wo sich Werbung und PR überschneiden. Als Beispiel aus der digitalen Kommunikationswelt nannte Grof-Korbel Beauty-Events für Kinder. „Dort sitzen die Influencerinnen, die sich diese Mädchen gerne auf YouTube anschauen.“ Aus Marketingsicht wäre das positiv, weil neue Zielgruppen erschlossen werden, aber aus ethischer Sicht sei die Frage zu stellen: „Muss ich jetzt alles machen, weil es geht?“

„Die ethische Frage ist keine PR-Frage – das ist Unternehmensethik“, fügte Markus Setznagel, Senior PR-Manager bei Austrian Airlines hinzu. Auch was aus Marketingsicht zunächst gut wäre, würde schließlich „zurückschießen“, wenn die Maßnahmen in der Gesellschaft nicht gut ankommen. Um den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen, setzen die Austrian Airlines auf ein Newsroom-Konzept. Dabei drehe sich laut Setznagel alles um die Grundüberlegung: Was ist das Thema und wie komme ich damit zur Zielgruppe? Erst daraus ergäben sich Format und Kanal. „Das Newsroom-Konzept lebt davon, dass man viel offener miteinander arbeiten muss“, so Setznagel. In dieser Konstellation arbeiten „Kanal-Manager“ eng mit „Themenverantwortlichen“ zusammen, die in täglichen gemeinsamen Redaktionssitzungen der länderübergreifenden Unternehmensgruppe die Planung der Kommunikationsmaßnahmen vornehmen.

Mehr Selbstbestimmung durch KI

„Fachquarksprech bleibt Fachquarksprech, egal wie Sie es kommunizieren“, stellte Klaus Candussi, Geschäftsführer von atempo, fest und untermauerte seinen Standpunkt mit empirischen Zahlen: 60 Prozent der Bevölkerung können nicht sinnerfassend verstehen, was Qualitätsmedien, Unternehmen und Behörden kommunizieren, weil das sprachliche Komplexitätsniveau zu hoch ist. Um dem entgegenzuwirken, arbeite atempo mit unterschiedlichen Partnerorganisationen zusammen, um mehr Menschen das Verstehen zu ermöglichen. Unter anderem werden gemeinsam mit der Austria Presse Agentur leicht verständliche Nachrichten angeboten. Durch die Digitalisierung und durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, erwartet Candussi, können in Zukunft Texte aller Art automatisiert in einfache Sprache übersetzt und damit ein wesentlicher Beitrag zur Selbstbestimmung von vielen Menschen geleistet werden.

 

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