Die deutsche Finanzbranche hält die Blockchain-Technologie für wichtig, investiert aber nicht. Laut Blockchain Survey von PwC verfügen alle Player in diesem Bereich über ein Grundverständnis in Sachen Blockchain, auch wenn nur 2 Prozent sich selbst eine profunde Expertise zuschreiben. Dabei überwiege ein positives Stimmungsbild. Ganze 75 Prozent sind vom Potential der Technologie überzeugt.
Dem bekundeten Interesse an der Technologie lassen die befragten Finanzdienstleister allerdings kaum Taten folgen. Auf die Frage, ob sich das eigene Unternehmen aktiv mit Blockchain beschäftige, antworteten nur 22 Prozent der Teilnehmer mit „Ja“. Eine Antwort, die sich auch in den niedrigen Budgets wiederspiegelt, die die Unternehmen für Blockchain-Produkte bereithalten: 97 Prozent stellen kein signifikantes Budget (größer 100.000 Euro) zur Verfügung, 60 Prozent investieren gar nicht. Hier zeige sich ein deutliches Spannungsverhältnis zwischen dem erkannten Potential der Technologie und entsprechenden Aktivitäten. Dabei nennen die Unternehmen als Grund für ihre Zurückhaltung fehlende regulatorische und technologische Entwicklungen, wie schon in der Studie aus 2018.
Doch im Unterschied zu damals sind gesetzliche Rahmenbedingungen heute vorhanden. Krypto-Assets fallen nun unter das deutsche Kreditwesengesetz, welches über weitreichende Regularien zur Verwahrung von Kapitalanlagen verfügt. Eine wichtige Folge daraus ist die Einführung einer Erlaubnispflicht für den Handel mit Krypto-Produkten, wie Dr. Thomas Schönfeld, PwC-Experte und Verfasser der Studie erklärt. „Die Erlaubnispflicht schafft eine wichtige Absicherung, die den Akteuren am Finanzmarkt neue Möglichkeiten eröffnet. Der institutionelle Rahmen sorgt für mehr Transparenz.“ Abgesehen von der Regulatorik habe die Technologie zuletzt auch Fortschritte in Hinblick auf ihre Skalierbarkeit, Sicherheit und Geschwindigkeit gemacht.
Mögliche Anzeichen eines beginnenden Wandels
Für Schönfeld liegt das Problem der andauernden Untätigkeit deshalb in erster Linie bei den Unternehmen. Diese seien zum einen nicht ausreichend über die Entwicklungen informiert. Zum anderen würden sie sich aufgrund des disruptiven Charakters von Blockchain sowie der gleichzeitigen Beschäftigung mit anderen Technologien (KI, IoT etc.) weiterhin zurückhalten. Die Einschätzung vieler Teilnehmer sei, dass die Entwicklung noch drei bis fünf Jahre brauche, bevor Anlagen mit absehbaren Gewinnmöglichkeiten auf den Markt kommen.
„Wenn der Marktdruck dann steigt, sind aber diejenigen im Vorteil, die sich das nötige Wissen im Umgang mit den Produkten bereits angeeignet und die erforderlichen Strukturen etabliert haben. Unser Ratschlag daher: Prokrastination vermeiden und einen Blick über die Finanzindustrie hinauswagen“, so Schönfeld.
Dabei könnte die Studie sogar ein erstes kleines Anzeichen für eine mögliche Verhaltensänderung beinhalten: Stellten bisher ausschließlich kleinere Unternehmen signifikante Budgets für Krypto-Produkte zur Verfügung, sind es nun die größeren Finanzdienstleister, die höher investieren. Ein mögliches Indiz dafür, dass Blockchain den Status des Hypes hinter sich lässt und bald schon produktivere Anwendungen und Geschäftsmodelle auf den Markt kommen.
Der Hype der Krypto-Währungen ist vorbei, was kommt nun?
Krypto-Währungen galten lange Zeit als die vielversprechendste Anwendung der Blockchain-Technologie. Doch das hat sich geändert: Knapp 80 Prozent der Teilnehmer halten sie für nicht relevant, manchen Befragten sind etablierte Währungen wie Ripple oder NEO nicht einmal bekannt (12 und 18 %). Ein Stimmungsbild, das sich mit den meisten Experten-Meinungen deckt.
„Klassische Krypto-Währungen wie Bitcoin haben das große Manko, dass sie mit illegalen Geschäften im Darknet in Verbindung gebracht werden und keine Notfall-Absicherungen bieten – entsprechend gering ist das Vertrauen,“ so Schönfeld.
Künftige Blockchain-Anwendungen sehen die Teilnehmer der Studie nun vor allem im Umfeld von Daten-Sicherheit, Audit- und Datenintegrität sowie Peer-to-Peer Payment. Bisher würden diese Anwendungen jedoch noch nicht zielgerichtet eingesetzt werden, erklärt Schönfeld. „Heutige Anwendungen der Blockchain-Technologie zielen insbesondere auf Effizienzsteigerung – das eigentliche Potenzial hingegen liegt in der Erschließung neuer Geschäftsmodelle.“
Hoffnung auf Änderung sieht Schönfeld vor allem im Zusammenhang mit einer Ankündigung der Bundesregierung. Diese wolle eine Aufhebung der Papier-Beurkundungspflicht für Inhaberschuldverschreibungen im Zuge ihrer „Blockchain-Strategie“ durchsetzen. Die Lockerung könnte kleinere Marktteilnehmer veranlassen, erste Schuldverschreibungen elektronisch mittels Blockchain zu emittieren, wodurch der Marktdruck auch für die Großen steigen würde. Bisher liegt hierzu allerdings noch kein konkreter Gesetzesentwurf vor.