Covid-19 hat technologische Trends relevanter und dringlicher gemacht als zuvor. Entwicklungen wurden beschleunigt, auch weil die Pandemie gezeigt hat, wo viele Unternehmen der Schuh drückt. Um den Herausforderungen zu begegnen, müssen Unternehmen innovativ sein, sich selbst erfinden und neu definieren. Die Menschen sind stärker denn je abhängig von Technologie.
In einer zunehmend digitalisierten Welt müssen Unternehmen einen neuen Schwerpunkt auf das Gleichgewicht zwischen „Wert“ und „Werten“ legen, um auch zukünftig wettbewerbsfähig und erfolgreich zu sein. Geschäftswerte mit den Werten und Erwartungen ihrer Kunden und Mitarbeitenden in Einklang zu bringen – das ist eine zentrale Herausforderung unserer Zeit. Zu diesem Ergebnis kam die „Technology Vision“-Studie des Beratungsunternehmens Accenture. Die 20. Ausgabe der jährlich erscheinenden Studie zeige die wichtigsten Trends auf, die in den kommenden drei Jahren Unternehmen neu definieren werden.
Laut der Studie können trotz der wachsenden Bereitschaft der Menschen, Technologie in ihr Leben zu integrieren, die Bemühungen von Unternehmen, Bedürfnisse und Erwartungen zu erfüllen, zu kurz greifen. Während die heutige Situation teils als „Rückschlag der Technologie“ oder „Gegenreaktion auf die Technologie“ bezeichnet wird, verkennt dieser Begriff das Ausmaß, in dem unsere Gesellschaft Technologie nutzt und von ihr profitiert. Vielmehr handelt es sich um einen „Tech-Clash“ – einen Zusammenprall von Geschäfts- und Technologiemodellen, die nicht mit den Bedürfnissen und Erwartungen der Menschen übereinstimmen und neue Denkweisen sowie Ansätze erforderlich machen.
83 Prozent der 311 deutschen befragten IT- und Business-Entscheider (weltweit hatte die Studie über 6.000 Teilnehmer) gaben an, dass Technologie zu einem untrennbaren Bestandteil unserer Gesellschaft geworden ist. Im Rahmen der diesjährigen Studie befragte Accenture zudem 2.000 Verbraucher (je 500 in China, Indien, Großbritannien und den USA), von denen 70 Prozent der Auffassung sind, dass Technologie in den nächsten drei Jahren stärker bzw. deutlich stärker in den Vordergrund ihres Lebens rücken wird.
Unternehmen müssen innovativ sein
Die Covid-19-Pandemie hat der Welt vor Augen geführt, wie sehr Technologie die Menschheit bei der Bewältigung großer Herausforderungen unterstützen kann. Roboter desinfizieren Städte, kochen Krankenhausnahrung und liefern Pakete. Intelligente Geräte überwachen die Gesundheit der Patienten und sammeln wertvolle Gesundheitsdaten. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Künstlicher Intelligenz verlässt die Proof-of-Concept-Phase schneller als gedacht. Während ein Großteil der Welt still- oder auf Eis gelegt ist, beschleunigen sich Innovationen.
Der akute, unmittelbare Bedarf an technologischen Innovationen sei allerdings nur die eine Seite der Gleichung. Für die Unternehmen komme es darauf an, das in der Krise geborene Tempo und die gewachsene Bereitschaft zu Veränderungen beizubehalten. Laut der vorliegenden Studie birgt das Festhalten an bestehenden Modellen nicht nur das Risiko, Kunden zu verärgern oder Mitarbeitende zu demotivieren, sondern könnte zukünftig potenzielle Innovationen und Wachstum dauerhaft einschränken.
5 Trends für die nächsten 3 Jahren
Die Studie identifiziert fünf Schlüsseltrends, die Unternehmen in den nächsten drei Jahren angehen müssen, um nicht nur den Tech-Clash zu entschärfen, sondern auch um neue Geschäftswerte zu realisieren, die unter anderem durch stärkere, vertrauensvollere Beziehungen zu den Stakeholdern vorangetrieben werden:
- The I in Experience: Unternehmen werden personalisierte Erlebnisse schaffen müssen, die die Handlungsfähigkeit und Wahlmöglichkeiten des Einzelnen erweitern. Durch Zusammenarbeit wird ein passives Publikum zu aktiven Teilnehmern. 76 Prozent der in Deutschland Befragten denken, dass Unternehmen in diesem neuen Jahrzehnt nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn sie ihre Beziehungen zu ihren Kunden als eine Partnerschaft ausbauen. 70 Prozent der deutschen Führungskräfte sind sich einig, dass Organisationen die Erfahrungen, die Technologie und Menschen zusammenbringen, dramatisch umgestalten müssen, und zwar auf eine menschlichere Art und Weise.
- AI and Me: Künstliche Intelligenz sollte den Menschen bei seiner Arbeit unterstützen und nicht als Sicherheitsnetz für die Automatisierung fungieren. Die Fähigkeiten der Technologie entwickeln sich stetig weiter. Daher sei es unerlässlich, dass Unternehmen auch die Art und Weise, wie sie arbeiten, überdenken. Sie sollten KI zu einem generativen Teil ihrer Prozesse machen – mit Vertrauen und Transparenz im Mittelpunkt. 36 Prozent der deutschen Unternehmen gaben an, bereits inklusive oder humanzentrierte Ansätze zu nutzen, um die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine zu unterstützen.
- The Dilemma of Smart Things: In einer Welt, die in eine Art dauerhafte Betaphase eintritt, werden Besitzansprüche von einzelnen Produkten hinterfragt. Da Unternehmen anstreben, eine neue Generation von Produkten, getrieben von digitalen Erlebnissen, einzuführen, werde die Auseinandersetzung mit dieser neuen Realität erfolgsentscheidend. 63 Prozent der deutschen Führungskräfte gaben an, dass die vernetzten Produkte und Dienstleistungen ihres Unternehmens in den nächsten drei Jahren mehr oder deutlich mehr Updates erhalten werden.
- Robots in the Wild: Robotik ist nicht länger nur auf Lager oder Fabrikhallen beschränkt. 5G beschleunigt diesen rasch wachsenden Trend, sodass jedes Unternehmen seine Zukunft mit Blick auf die Robotertechnik neu überdenken sollte. Führungskräfte sind sich jedoch uneinig, wie ihre Mitarbeitenden die Technologie annehmen werden: 41 Prozent sagen, dass der Umgang mit der Robotik für ihre Mitarbeitenden herausfordernd sein wird. 59 Prozent glauben hingegen, dass sich ihre Mitarbeitenden mit der neuen Technologie leicht tun werden.
Innovations-DNA: Unternehmen haben Zugang zu einer noch nie dagewesenen Menge an disruptiver Technologie, wie etwa Distributed Ledger, KI, Extended Reality und Quantencomputing. Damit Unternehmen diese entsprechend handhaben können und sich gleichzeitig mit der geforderten Geschwindigkeit der Märkte weiterentwickeln, benötigen sie ihre eigene, einzigartige Innovations-DNA. Fast drei Viertel (72 %) der Führungskräfte sind sich sicher, dass der Einsatz für Innovation noch nie so hoch war wie heute. Um es „richtig“ zu machen, müssen neue Wege beschritten werden – mit Partnern aus dem Ökosystem und mit Dritten.
Die Kluft überwinden: Ein Beispiel
Start-ups wie Inrupt arbeiten laut Accenture bereits daran, die scharf kritisierte Kluft zwischen den Erwartungen der Menschen und den heutigen Standards zu überwinden. Inrupt habe eine Architektur namens Solid entwickelt, die Daten miteinander verknüpft und den Menschen gleichzeitig mehr Kontrolle über ihre persönlichen Daten gibt. Sie ermögliche es, ihre Daten über das Internet mittels „Pods“ zu speichern und zu nutzen. Die Menschen könnten entscheiden, wo ihre Pods gehostet werden und bestimmen, welche Unternehmen oder Maschinen auf sie zugreifen können.
Zudem könnten sie ihre Informationen jederzeit widerrufen oder löschen, was die ursprüngliche Vision des Inrupt-Mitbegründers Tim Berners-Lee eines „Netzes von Möglichkeiten für alle“ katalysiert. Humanzentrierte Ansätze wie dieser sollen zukünftig führende Unternehmen definieren.
Notwendigkeit von Innovationen größer als je
Die langfristige Herausforderung bestehe darin, Unternehmen bei ihrem erfolgreichen Wiederaufbau zu unterstützen, wenn das Schlimmste der Pandemie vorbei ist. In der Krise habe sich gezeigt, dass Menschen technologische Lösungen dringender benötigen als je zuvor. Das volle Ausmaß der Auswirkungen von COVID-19 auf das menschliche Leben, die globalen Wirtschaft und Unternehmen ist noch nicht bekannt. Fest steht, die Notwendigkeit von Innovation ist größer denn je und sie wird angetrieben von neuen Herausforderungen. Die Frage an die Unternehmen laute: Wie schnell können Sie handeln?