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COVID-19: Mehr digitales Banking, weniger Vertrauen in Banken

In der Finanzbranche wurden durch die Corona-Pandemie digitale Kanäle in einem Ausmaß und Tempo nachgefragt, worauf die Institute nicht vorbereitet waren. Darunter haben die persönlichen Kundenbeziehungen und das Vertrauen der Kunden gelitten, die Kostensensibilität dagegen ist gestiegen. Voraussichtlich werden diese veränderten Gewohnheiten der Bankkunden über die Krise hinaus Bestand haben. Vertrauen zurückzugewinnen, ist daher eine Priorität für Banken, wenn Beratungsleistungen zu den Eckpfeilern ihrer Wachstumsstrategien gehören sollen.

Quelle: Accenture

Dies zeigt die aktuelle Verbraucherstudie Global Banking Consumer Study 2020, für die das Beratungsunternehmen Accenture mehr als 47.000 Verbraucher weltweit und rund 2.000 in Deutschland befragt hat.

Obwohl Banken ihre Kunden seit langem dazu ermutigen, digitale Kanäle für ihre Transaktionen zu nutzen, war nicht abzusehen, wie aggressiv sich die Digitalisierung als Folge von COVID-19 durchsetzen würde. Dabei hat die rasante Umstellung auf digitale Services den Faktor Mensch und persönliche Interaktionen mit vertrauensvollen Beratern aus dem Bankgeschäft verdrängt. In der Folge sinkt das Vertrauen der Verbraucher in die Banken. So verlassen sich global weniger als ein Drittel (29 %) der Befragten „sehr“ auf Finanzinstitute, wenn es um ihr langfristiges finanzielles Wohlergehen geht. Vor zwei Jahren waren es noch 43 Prozent. In Deutschland zeichnet sich dieser Trend ebenfalls ab. Hier vertrauen mittlerweile weniger als ein Viertel (21%) auf ihre Bank. 2018 lag dieser Wert noch bei 30 Prozent.

Digitalisierungsboom ist ein zweischneidiges Schwert

„Das Vertrauen der Kunden ist heute wichtiger denn je. Die jüngste Verlagerung hin zum digitalen Banking bedroht wertvolle Kundenbeziehungen, die in der Vergangenheit mühsam persönlich aufgebaut wurden“, sagt Andreas Staudinger, Leiter des Bereichs Customer, Sales & Service für Finanzinstitute bei Accenture. „Der von der Pandemie beschleunigte Digitalisierungsboom ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits konnten Banken ihre Kunden während der Krise effizient betreuen. Auf der anderen Seite mussten die Geldhäuser funktionale, aber auch teils wenig emotionale Lösungen schnell zur Marktreife zu bringen. Um Kundenbeziehungen wieder zu stärken, sollten Banken ihr digitales Angebot persönlicher und für die Kunden relevanter gestalten.“

Das Vertrauen in Banken ist zudem erheblich gesunken, wenn es um die Pflege der Kundendaten geht: Vier von zehn Befragten (37 %) vertrauen ihrer Bank beim Umgang mit ihren Daten. Das entspricht einem Rückgang von 14 Prozent im Vergleich zu vor zwei Jahren. Dennoch zeigt die Studie, dass mehr als die Hälfte der Kundschaft (57 %) denkt, dass ihre Bank bei der Beratung das Interesse und Wohlergehen der Kunden in den Mittelpunkt stellt. 65 Prozent der deutschen Befragten sind überzeugt, dass ihre Bank immer im Interesse der Kunden handelt. 62 Prozent der weltweiten Studienteilnehmer empfinden die Empfehlungen ihres Beraters als klug, persönlich und kompetent.

Dies erkläre, warum fast ein Viertel der befragten Verbraucher (23 %) der Meinung ist, dass Banken am besten in der Lage sind, Produkte und Dienstleistungen auch jenseits ihrer Kernkompetenzen anzubieten. Demgegenüber waren nur 16 Prozent der Befragten der Meinung, dass dies auch für Technologieanbieter gilt, während 12 Prozent bzw. 11 Prozent der Befragten das Gleiche über Social-Media-Unternehmen und Neobanken sagten.

Nachhaltige Änderung oder krisengetriebener Trend?

Finanzinstitute müssten jetzt die Auswirkungen der Pandemie auf das Verbraucherverhalten analysieren und beurteilen, welche Veränderungen von Dauer sind. Das gilt auch für die wachsende Beliebtheit der Videotelefonate. Vor der Krise nutzten global lediglich 15 Prozent der Verbraucher Videoanrufe, um mit ihrem Bankberater zu sprechen. Fast jeder Zweite (46 %) räumte diese Möglichkeit nun auch für den Fall der Wiedereröffnung seiner Filiale ein. 35 Prozent erklärten sogar, dass sie Videoanrufe einem persönlichen Gespräch vorziehen würden – in Deutschland sind dies nur 23 Prozent.

Gleichzeitig ist es für Banken wichtig zu verstehen, wie die verschiedenen Absatz- und Kommunikationskanäle das Vertrauen der Verbraucher beeinflussen. Bei der Beratung zu Produkten und Angeboten vertrauen zum Beispiel nur 28 Prozent der Verbraucher einem menschlichen Berater „sehr“, wenn sie per Videoanruf kommunizieren. Im Vergleich dazu: 36 bzw. 48 Prozent schenken ihrem Berater im persönlichen Kontakt Vertrauen.

„Banken müssen sich auf die Veränderungen im Verbraucherverhalten einstellen. Es ist wichtig digitale Werkzeuge zu entwickeln, die jeder Kundeninteraktion Relevanz und Persönlichkeit verleihen – immer in Verbindung mit der Option, im richtigen Moment einen persönlichen Berater einsetzen zu können“, so Staudinger. „Das sorgt für ein Gleichgewicht zwischen menschlicher und rein digitaler Kommunikation und kombiniert beides immer dann, wenn so mehr Wertschöpfung erzielt werden kann. Das stärkt die Kundenbeziehungen und schafft Vertrauen, Loyalität und Vorteile für beide Seiten.“

Der Wandel der Wechselwilligkeit

Die Studie verdeutliche, dass das Wechselverhalten der Kunden in der Vergangenheit ein Echtzeit-Indikator für verstärkten Wettbewerb oder Unzufriedenheit war. Während das Wechselverhalten in den letzten zwei Jahren global von 6,7 auf 3,8 Prozent gesunken ist, ist es in Deutschland mit vier Prozent stabil geblieben.

Diese geringen Werte seien zum einen die Folge des anfänglichen Booms der Neobanken sowie der Tatsache, dass die etablierten Geldhäuser ihre digitalen Fähigkeiten verbessert haben. Die Studie zeige aber auch, dass das Messen des Wechselverhaltens schwieriger geworden ist, da Verbraucher ihr primäres Bankkonto durch zusätzliche Konten – auch bei anderen Anbietern – erweitern.

„Das Wechselverhalten hat sich von einem harten Ende der Geschäftsbeziehung zu einem langsam fortschreitenden, stark kostengetriebenen Prozess entwickelt“, so Staudinger. „Dies verdeutlicht, dass die Beziehung zwischen Bank und Kunde immer fragiler wird, da die Verbraucher schnell und einfach ihr Geld auf Konten verschiedener Finanzdienstleister verteilen können. Die beschleunigte Digitalisierung hat vielen traditionellen Banken geholfen, die technologische Innovationslücke zu den Neobanken zu schließen. Wenn sie es jetzt schaffen, ein besseres digitales Angebot mit dem „Human Touch“ und der vertrauenswürdigen Stabilität etablierter Banken zu kombinieren, könnte sich das Blatt zugunsten der traditionellen Banken wenden und sie zum bevorzugten Kontoanbieter der Verbraucher machen.“

 

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