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Digitale Abschlussprüfung: Viel Effizienzpotenzial bleibt in deutschen Unternehmen ungenutzt

Covid-19 legt auch im Finanz- und Rechnungswesen die Stärken und Schwächen der Digitalisierung in Unternehmen offen. So hat ein Drittel der Unternehmen noch nicht damit begonnen, die Finanzfunktion umfassend zu transformieren. Und: Mehr als die Hälfte der Unternehmen nutzt – zumindest teilweise – Excel-Sheets für das interne Reporting. Viel Potenzial für die Automatisierung und Qualitätssicherung bleibt also noch ungenutzt.

Das sind einige der wichtigsten Erkenntnisse der aktuellen Studie „Digitalisierung im Finanz- und Rechnungswesen 2021“, die die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland erstellt hat. PwC hat dafür im Frühjahr 2021 100 mittelständische und größere deutsche Unternehmen befragt.

Covid-19 macht Nachholbedarf transparent

Etwas weniger befragte EntscheiderInnen aus der Finanzfunktion deutscher Unternehmen als im Vorjahr halten den Technologieeinsatz ihrer Unternehmen für progressiv bzw. sehr progressiv (29 % ggü. 35 % im Jahr 2020). Ebenfalls weniger Befragte schätzen ihre Technologieaffinität als konservativ oder sehr konservativ ein (18 % ggü. 24 %). Mehr als jede:r Zweite (52 %) wähnt sein Unternehmen beim Technologieeinsatz im Mittelfeld.

Prof. Dr. Rüdiger Loitz, Partner und verantwortlich für Technology & Innovations in Assurance bei PwC Deutschland, sagt: „Dies halten wir für einen Effekt der Covid-19-Pandemie. Sie hat – zum Teil schmerzhaft – offengelegt, wo die Unternehmen in puncto Digitalisierung stehen.“ Und er ergänzt: „Positiv daran ist, dass mehr Transparenz und Vergleichbarkeit herrschen. So lassen sich Schwächen im Bereich der Qualität gezielt beheben.“

Transformation der Finanzfunktion ist Daueraufgabe

Ein weiteres Studienergebnis: Rund 6 von 10 Unternehmen transformieren ihre Finanzfunktion bereits umfassend, 10 Prozent von ihnen schon seit mehr als fünf Jahren und immerhin knapp ein Viertel (24 %) seit bis zu fünf Jahren. 72  Prozent dieser Unternehmen modernisieren in diesem Zuge auch – zumindest teilweise – die Voraussetzungen für eine möglichst digitale Abschlussprüfung.

Petra Justenhoven, Mitglied der Geschäftsführung bei PwC Deutschland und Co-Autorin der Studie, erläutert: „Diese Unternehmen haben erkannt, dass die Transformation der Finanzfunktion und der Abschlussprüfung eine Daueraufgabe ist, zumal das interne und externe Reporting mehr und mehr über das Finanz- und Rechnungswesen hinausgeht.“

Aber: Ein Drittel der Befragten verzichtet bislang darauf, ihre Finanzfunktion umfassend zu transformieren. „Das halten wir für sehr riskant. Die Unternehmen laufen damit Gefahr, Effizienzgewinne unnötig lange ungenutzt zu lassen und so gegenüber dem Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten,“ erklärt Prof. Dr. Rüdiger Loitz. Denn eine zeitgemäße Finanzfunktion liefere verlässliche Daten, die in einem volatilen Marktumfeld bessere und schnellere Entscheidungen und immer zuverlässigere Prognosen erlaubten.

Ein Dauerbrenner: Excel 

Die meisten der befragten Unternehmen (64 %) nutzen für ihr internes Reporting Daten aus einem ERP-System. SAP bleibt dabei wie in den Vorjahren der am weitesten verbreitete Anbieter (56 %), weit vor Microsoft Navision/AX (15 %) und Datev (5 %).

Aber: 57 Prozent der Unternehmen arbeiten immer noch zumindest teilweise mit Excel-Dateien für das interne Reporting. Petra Justenhoven kommentiert: „Das ist ein Warnsignal, weil die hohe Nutzung von Excel-Dateien auf einen geringen Automatisierungs- und Integrationsgrad schließen lässt. Hier liegt noch viel Potenzial für die Automatisierung und Qualitätssicherung brach.“

Zwei Drittel vernachlässigen RPA

So beschäftigen sich fast zwei Drittel (64 %) der befragten Unternehmen nach wie vor nicht mit Robotic Process Automation (RPA) im Rechnungswesen. Nur 5  Prozent nutzen bereits eigenentwickelte, 9 Prozent am Markt erhältliche Robotics-Lösungen. Insgesamt 18 Prozent planen aber, RPA einzusetzen (2020: 15 %). Rüdiger Loitz sagt: „Der eher geringe Einsatz von RPA ist aus unserer Sicht ein echtes Versäumnis. Denn die Technologie kann schon mit geringem Investitions- und Implementierungsaufwand gerade bei Routineaufgaben für mehr Effizienz und eine bessere Ergebnisqualität sorgen.“

Erkenntnisgewinne einer digitalen Abschlussprüfung unterschätzt

Prof. Dr. Rüdiger Loitz

Auch bei der Abschlussprüfung unterschätzen viele Unternehmen das Digitalisierungspotenzial: Nur 9 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass eine stärker digitale Abschlussprüfung ihnen bis dato unbekannte Unternehmensinformationen in erheblichem Umfang liefern könnte. 46 Prozent erwarten dadurch eher wenige neue Erkenntnisse und 45 Prozent rechnen nicht mit neuen Informationen.

„Aus unserer Sicht als Prüfer ist das eine Fehleinschätzung„, sagt Prof. Dr. Rüdiger Loitz. „Wir sehen hier viel größeres Potenzial, insbesondere dafür, Zusammenhänge mit finanzfremden Daten herzustellen.“

Ortsunabhängige Abschlussprüfung bleibt auf Dauer

Eine weitere Erkenntnis der Studie lautet: Weniger Befragte als in der Vorjahresbefragung meinen, die zur Prüfung eingesetzte Technologie entspreche nicht modernen Standards – so äußerten sich nur noch 44 Prozent  gegenüber 61 Prozent  im Jahr 2020. Auch den Abzug prüfungsrelevanter Finanzdaten schätzen nur noch 25 Prozent kritisch ein, 2020 waren es noch 51 Prozent. Und nur noch 31 Prozent sehen 2021 Verbesserungspotenzial beim Management der Abschlussprüfung (2020: 43 %).

Die Mehrheit der Befragten (83 %) geht außerdem davon aus, dass die Abschlussprüfung in fünf Jahren nicht mehr hauptsächlich physisch vor Ort stattfinden wird. 2020 waren erst 58 Prozent dieser Meinung. Covid-19 hat den seit einigen Jahren bestehenden Trend zur ortsunabhängigen Prüfung also drastisch verstärkt.

„Wir haben bereits vor der Pandemie gemerkt, dass Mandanten unsere digitalen Tools, die wir im Audit anbieten, verstärkt nutzen. Das bringt sowohl für Unternehmen als auch Prüfer Zeit- und Effizienzgewinne„, sagt Petra Justenhoven. „Die physische Interaktion inklusive erforderlicher Reisen wird daher auch künftig nicht mehr so häufig stattfinden wie zuvor – allein schon aus Gründen des Klimaschutzes.“

 

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