In einer Umfrage für den Branchenkompass Banking 2016 von Sopra Steria Consulting beurteilten führende Finanzinstitute in Deutschland und Österreich ihre Geschäftsaussichten deutlich pessimistischer als vor zwei Jahren. Schuld daran seien hauptsächlich das ruinöse Zinsniveau, der wachsende Compliance-Druck und der verschärfte Wettbewerb mit zunehmender Konkurrenz aus der digitalen Welt.
Das Gros der Branche setzt als Ausweg auf verstärkte Digitalisierung. Doch werde auch dieser Rettungsring nicht lange oben schwimmen – wenn Banken ihr Geschäftsmodell nicht von Grund auf neu aus der Sicht des „digitalisierten Kunden“ umgestalten.
Gefahr durch branchenfremde Anbieter
Zwei Drittel aller deutschen und österreichischen Banken rechnen damit, dass sich die Kreditwirtschaft bis 2019 schlechter entwickeln wird als die jeweilige Gesamtwirtschaft in beiden Ländern – vor zwei Jahren waren nur halb so viele derart pessimistisch gestimmt. Besonders negativ wirkt sich laut aktuellem Branchenkompass die fortgesetzte Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank aus. Viele Banker sehen dadurch die Rentabilität mancher herkömmlichen Finanzprodukte grundsätzlich in Frage gestellt.
Schwer belastet würden die Bilanzen aber auch vom steigenden Aufwand infolge immer neuer regulatorischer Anforderungen – zum Beispiel die anspruchsvollen Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften im Risikomanagement-Framework von Basel III. Nicht zuletzt sehen viele Studienteilnehmer ihre Ertragslage durch branchenfremde Anbieter bedroht, die ihre digitalen Dienstleistungen direkt an die Wertschöpfungskette etablierter Banken andocken.
Digitalisierung wird zentrales Thema
Verständlich, dass vor diesem Hintergrund 84 Prozent der befragten Entscheider die Digitalisierung im eigenen Haus für besonders dringlich halten. Fast alle (97 %) glauben, dass der Regulierungsdruck die Prozess- und IT-Standardisierung weiter vorantreiben wird.
Auch das Industrialisierungstempo dürfte in den kommenden zwei Jahren deutlich zulegen: 87 Prozent der befragten Entscheider planen bis 2019 entsprechende Investitionen im Bereich Gesamtbanksteuerung sowie 73 Prozent im Vertriebskanalmanagement. Durchschnittlich 20 Prozent der Investitionsetats fließen in die Erneuerung der IT-Anwendungslandschaft. Bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen sind es mit 17 beziehungsweise 15 Prozent etwas weniger, bei Kreditbanken dagegen mit fast 30 Prozent deutlich mehr.
Den größten Block im durchschnittlichen Investitionsbudget macht nach wie vor das Vertriebs- und Kundenmanagement aus. Hier stieg der Anteil in den vergangenen zwei Jahren von 20,9 auf 22,5 Prozent.
Größte Herausforderung: „Anspruchsvolle Serviceindividualisierung auf standardisierte Weise“
„Mit ihren aktuellen Investitionsplanungen reagieren Banken offenbar auf die Tatsache, dass der Wettbewerb um die Kunden im Zuge der technologischen Entwicklung, aber auch aufgrund der neuen Konkurrenz durch FinTech-Unternehmen stark zugenommen hat“, kommentiert Stefan Lamprecht, Division Director Banking bei Sopra Steria Consulting. Um auf lange Sicht erfolgreich zu sein, genüge es allerdings nicht, traditionelle Servicekonzepte lediglich eins zu eins auf digitale Medien zu übertragen. Stattdessen sollten Banken die Beziehung zu ihren Kunden komplett überdenken: „Anspruchsvolle Serviceindividualisierung auf standardisierte Art und Weise umzusetzen – das ist die große Herausforderung für Banken im Zeitalter der Digitalisierung“, so Stefan Lamprecht.
Über die Studie: Im Juli 2016 befragte das Meinungsforschungsinstitut forsa insgesamt 120 Vorstandsmitglieder und Führungskräfte der bedeutendsten Banken Deutschlands und Österreichs – davon 100 Institute aus der Deutschland und 20 aus Österreich. In den computergestützten Telefoninterviews (CATI) ging es insbesondere um die Einschätzung wichtiger Branchentrends sowie um Investitionsziele der Teilnehmer bis 2019.