Unter den Unternehmen in Deutschland und den USA geht die Schere zwischen digitalen Vorreitern und Nachzüglern weit auseinander. Das zeigt die Studie „Beyond the Hype: Which Companies Are the Real Champions of Building the Digital Future“ der Boston Consulting Group (BCG), für die rund 700 Befragte aus Deutschland und den USA den digitalen Reifegrad ihrer Unternehmen eingeschätzt haben.
Während die Vorreiter ein hohes digitales Leistungsniveau erreichen, droht rund ein Viertel der Unternehmen den Anschluss zu verlieren. „Die Digitalisierung spaltet die Unternehmenslandschaft weltweit. Unternehmen, die nicht Schritt halten, können in Zukunft stark an Bedeutung verlieren“, sagt Michael Grebe, Senior Partner und Technologie-Experte bei BCG.
„In Branchen wie dem Einzelhandel zeigt sich diese Veränderung bereits. Hier haben sich Unternehmen mit digitaler Kundenansprache und Serviceorientierung zu Vorreitern aufgeschwungen, während viele etablierte Händler ihre Geschäfte mit stationärem Handel oder Katalogversand nicht erfolgreich ins Netz übertragen konnten“.
Grundlage der Studie ist der „Digital Acceleration Index“ (DAI) von BCG, der auf einer Selbsteinschätzung des digitalen Reifegrades von Unternehmen in 27 Digital-Dimensionen basiert. Unternehmen mit einem DAI von 67 bis 100 DAI-Punkten werden als Vorreiter verstanden, Unternehmen mit einem DAI-Wert von weniger als 43 als Nachzügler.
USA besitzen mehr Vorreiter als Deutschland
Der Ländervergleich zeigt: In den USA finden sich mit einem Anteil von 28 Prozent branchenübergreifend mehr digitale Vorreiter als in Deutschland (21 %) und weniger Nachzügler (USA: 23 %/Deutschland: 31 %). Den Spitzenreitern aus den USA gelingt es im Vergleich zu deutschen Vorreitern sehr gut, digitalen Fortschritt in zusätzliche Unternehmenswerte umzusetzen (USA: 78 DAI-Punkte/Deutschland: 68 DAI-Punkte).
Zugleich schätzen sich amerikanische Unternehmen sehr gut darin ein, neue digitale Projekte in eigenen Accelerator-Centern voranzutreiben. Deutsche Vorreiter wiederum sehen ihre Stärke darin, klare digitale Zielbilder für das gesamte Unternehmen zu entwickeln (Deutschland: 89 DAI-Punkte/USA: 74 DAIPunkte).
„Ambitionierte Ziele in Kombination mit einem klaren Umsetzungsfahrplan sind entscheidend für die Digitalisierung. Je mehr sich die Unternehmen bei der Digitalisierung zutrauen, desto größer sind auch ihre Fortschritte Richtung Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit“, sagt Michael Rüßmann, Senior Partner und Experte für Technologie und digitale Transformation bei BCG. In beiden Ländern messen die Unternehmen dem Thema Cybersecurity einen hohen Stellenwert bei und gehen diese potenzielle Hürde der Digitalisierung systematisch an.
Maschinenbau steht vor großen digitalen Herausforderungen
Der größte Anteil an Vorreitern findet sich – sowohl in Deutschland als auch in den USA – in der Telekommunikationsbranche (Deutschland: 31 %/USA: 41 %). Viele Vorreiter zeigen sich in beiden Ländern auch unter den Technologieunternehmen (Deutschland: 24 %/USA: 29 %) und den Banken (Deutschland: 29 %/USA: 27 %).
Der deutsche und der US-amerikanische Maschinenbau gehört der eigenen Einschätzung zufolge zu den Branchen mit dem geringsten Vorreiteranteil (Deutschland: 20 %/USA: 19 %). „Viele Maschinenbauer stehen vor der Entscheidung, ob sie vor allem Maschinen verkaufen, oder darüber hinaus auch IT-Produkte in den Bereichen Datenanalyse, künstliche Intelligenz und Robotics anbieten wollen. Dazu müssen sie aber mehr investieren, insbesondere in ihre Software- und IT-Fähigkeiten und in die Digitalisierung ihrer Prozesse“, so Rüßmann.
3 Faktoren: Was Vorreiter anders machen
Die BCG-Studie hat drei Faktoren identifiziert, die die Gruppe der digitalen Vorreiter auszeichnen
- Sie investieren: Die Hälfte der Vorreiter hat ein digitales Investitionsvolumen von mehr als 5 Prozent der Betriebskosten.
- Sie gewinnen digitale Talente: Rund der Hälfte der Vorreiter ist es gelungen, den Anteil digitaler Jobs auf ein Zehntel zu erhöhen.
- Sie leben eine digitale Kultur: Unternehmen, die zu der Gruppe der Vorreiter zählen, geben an, dass ihre digitale Organisation bereits sehr weit gereift und fest im Unternehmen verankert ist.
Digitale Vorreiter profitieren davon, dass der Vorstand die Digital-Agenda vorantreibt: „Digitalisierung ist Chefsache. Nur wenn der Vorstand ambitionierte Ziele setzt und diese über ein Transformation-Office steuert, gelingt der digitale Wandel. Entscheidend ist auch, neue digitale Produkte in einer verantwortlichen Einheit zu verankern und in der gesamten Organisation verstärkt mit agilen Methoden zu arbeiten. Vorreiter vermeiden ferner die Pilotierung rein technischer Gimmicks und nutzen Prozessdigitalisierung, um die Performance zu steigern“, erläutert Rüßmann.
Sich von Altlasten befreien
Bis 2020 wollen die Vorreiter nach eigenen Angaben vor allem die digitalisierte Produktion ausbauen und ihre IT effizienter aufstellen. „Mit Beginn der Digitalisierung haben sich viele Unternehmen einen regelrechten IT-Dschungel aufgebaut. Wer sich jetzt in einer Position der Stärke befindet, sollte diese nutzen, um sich auch von Altlasten in der digitalen Infrastruktur zu befreien“, erklärt Grebe.
Viele Nachzügler geben an, sich in den nächsten Jahren auf die Digitalisierung ihrer Prozesse und die Optimierung ihrer IT-Landschaft konzentrieren zu wollen. Zugleich sollen die digitale Kundenansprache und die Nutzung von (Kunden-)Daten erweitert werden.
„Die digitale Kundenschnittstelle auszubauen und auch für die Gewinnung von Daten zu nutzen, ist für digitale Nachzügler ein wichtiger Schritt. Nur so können sie in Zukunft nachhaltig Umsatz machen und sich Investitionsspielraum verschaffen“, so Grebe.
Über die Studie: Grundlage der Studie ist der „Digital Acceleration Index“ (DAI) von BCG, mit dem 700 Befragte in Deutschland und in den USA den digitalen Reifegrad ihrer Unternehmen in 27 verschiedenen Dimensionen selbst eingeschätzt haben – und zwar in den Bereichen vision, target strategy and priorities/new businesses and ventures/digitized/customer engagement/technology and operations/digital capabilities.
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