Woher stammen unsere Lebensmittel? Wie kann Geld in der Entwicklungszusammenarbeit sicher dort ankommen, wo es benötigt wird? Die Blockchain-Technologie kann auf diese Fragen eine Antwort sein. Bislang fokussiert die Diskussion über Blockchain Bitcoin und Anwendungsmöglichkeiten in der Finanzwelt, dabei wird auch in anderen Bereichen erfolgreich mit ihr experimentiert, beispielsweise in der Supply Chain. Und es gibt weiterhin einige Halbwahrheiten.
Julia Bacher (WFP Innovation Accelerator) und Eugen Luft (IBM Blockchain Garage) präsentierten bei „acatech am Dienstag“ aktuelle Anwendungsfelder der Blockchain in der Ernährungssicherung, den Herkunftsnachweisen von Lebensmitteln sowie in der Entwicklungszusammenarbeit. Claudia Eckert (Fraunhofer AISEC und acatech Präsidium) machte den Realitäts-Check und diskutierte den Nutzen und potenzielle Herausforderungen der Blockchain.
Eine kurze Einführung zum Mechanismus der Blockchain gab Software-Consultant Philip Frank (Cook and Code). Er zeigte, dass die Blockchain nur dann sinnvoll eingesetzt werden kann, wenn Daten von mehreren Parteien abgespeichert werden, die sich nicht gegenseitig vertrauen und es auch sonst keine vertrauenswürdige Partei gibt.
From Farmer to Fork
Im ersten Use Case des Abends stellte Eugen Luft, Senior Blockchain Architect bei IBM, neue auf Blockchain basierende Konzepte zur Nachverfolgbarkeit der Herkunft und der Lieferkette von Lebensmitteln („From Farmer to Fork“) vor. Mit Hilfe einer Blockchain-basierten, frei zugänglichen und transparenten Supply-Chain-Lösung sei es nun möglich, Nahrungsmittelverunreinigungen früher zu erkennen und potenziell verdorbene Lebensmittel gar nicht erst auf den Markt zu bringen.
Durch Crypto Anchors sollen zudem Verwechslungen und Fälschungen von Waren ausgeschlossen werden. In einem Pilotprojekt mit der Handelsgruppe Walmart wurde die Nachverfolgungsdauer bei Lebensmitteln mit Hilfe der Blockchain von sieben Tagen auf 2,2 Sekunden verkürzt.
Blockchain in der Entwicklungszusammenarbeit
Julia Bacher, stellvertretende Leiterin des Innovation Accelerators des United Nations World Food Programmes, veranschaulichte, inwieweit die Blockchain einen Beitrag für die Entwicklungszusammenarbeit und den Kampf gegen Hunger leistet. Der Innovation Accelerator betreibt unter anderen das „Building Blocks“-Projekt, ein vom WFP geleitetes Blockchain-Zahlungssystem in Auffangcamps für Flüchtlinge.
Gerade in der Entwicklungszusammenarbeit in Ländern, in denen es keine etablierten Infrastrukturen oder zentrale, transparente und vertrauenswürdige Instanzen gebe, sei die Blockchain sehr hilfreich. Die Vereinten Nationen selbst beschäftigen sich bereits seit längerer Zeit mit dem Thema Blockchain, u.a. im Bereich Flüchtlingshilfe.
Halbwahrheiten über die Blockchain
Claudia Eckert, Mitglied des acatech Präsidiums und Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit (AISEC), klärte in ihrem Vortrag über Missverständnisse und Halbwahrheiten im Zusammenhang mit der Blockchain-Technologie auf. Unter anderem übte die Informatikprofessorin Kritik an der faktischen Monopolisierungstendenz von bekannten Blockchains wie Bitcoin und Ethereum, deren Anreizmechanismen zum Entstehen sogenannter Mining-Pools führen.
Auch werden viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch hohe Hardwareanforderungen von der Beteiligung am Betrieb einer offenen Blockchain ausgeschlossen. Außerdem hinterfragte Claudia Eckert die Unveränderbarkeit von Daten auf Blockchains in zweierlei Hinsicht:
- Einerseits steht diese in einem Spannungsverhältnis zu dem nun europaweit verankerten Recht auf Vergessenwerden.
- Andererseits können durch sogenannte Hard-Forks Transaktionen nachträglich verändert werden.
In der Politik gibt es großen Aufklärungsbedarf
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum stand der Aspekt im Zentrum, auf welche Fragen rund um Blockchain die Gesellschaft und insbesondere die Politik Antworten finden muss. Zwar bestünde bereits ein Bewusstsein für die Bedeutung der Technologie – der Begriff „Blockchain“ wird sieben Mal im Koalitionsvertrag erwähnt – es gebe aber noch Aufklärungs-, Entscheidungs- und Handlungsbedarf, so Claudia Eckert.
Die größten Potenziale der Blockchain für den Staat sehen die Expertinnen und Experten im E-Governement, vor allem zum Bürokratieabbau. Eine potenzielle Blockchain-Strategie müsse dem Podium zufolge einem ganzheitlichen und ressortübergreifenden Blick gerecht werden.