Strukturelle Veränderungen, neue Arbeitsprozesse und Wertewandel – die digitale Transformation hat sich auf die Kultur vieler Unternehmen ausgewirkt. Doch bis zu welchem Punkt sollte sich ein Unternehmen verändern? Wie viel Wandel ist erforderlich, um mit dem digitalen Fortschritt mitzuhalten? Wie die Digitalisierung die Unternehmenskultur verändern könnte, möchte Prof. Dr. Stefan Diestel von der International School of Management (ISM) beantworten.
Als akademischer Leiter des Kienbaum Institutes @ ISM und Studiengangsleiter des M.Sc. Organizational Psychology & Human Resources Management an der ISM Dortmund forscht er regelmäßig zum Thema. Im Vorfeld des Campus Symposiums, das am 6. und 7. September Inhalte rund um die Digitalisierung behandelt, schätzt er die aktuellen Herausforderungen für Unternehmen ein.
Komplexer Wandel für Traditionsunternehmen
„Die Frage ist, ob die Digitalisierung eine Unternehmenskultur beeinflusst oder ob eine Unternehmenskultur Digitalisierung erst möglich macht. Man kann eher von einer Wechselwirkung ausgehen“, erklärt Diestel. „Was Unternehmen hier im Blick behalten sollten, ist nicht nur die Digitalisierung, sondern vor allem die digitale Transformation – also die Veränderung von Unternehmensstrukturen, Prozessen und ganzen Geschäftsstrategien.“
Insbesondere für Traditionsunternehmen mit vielen Mitarbeitern sei ein Kulturwandel komplex und mit Hindernissen verbunden. Daher empfiehlt Diestel Firmen, sich ganz auf sich selbst zu konzentrieren, individuell das Unternehmen zu beurteilen und sich nicht mit innovativen Start-ups zu vergleichen: „Ein Unternehmen muss nicht zwanghaft alles tun, um digitale Technologie in den Arbeitsalltag zu integrieren. Gerade traditionelle Unternehmen sollten sich fragen, welche Dienstleistungen oder Produkte sie anbieten können, die nicht durch die Digitalisierung ersetzt werden.“ Allerdings sollten sie auch ihren Standpunkt prüfen: „Manche Unternehmen wissen nicht eindeutig, was der Kern ihrer Dienstleistungen oder Produkte ist. Arbeits- und Kommunikationsprozesse laufen automatisch ab, ohne dass sie hinterfragt werden.“
Digitale Transformation ist nie komplett abgeschlossen
Damit Unternehmen die digitale Transformation zu ihrem Vorteil nutzen können, sei daher auch ein tiefergehendes Verständnis der eigenen Unternehmenskultur notwendig: „Die Digitalisierung ist ein fortschreitender Prozess. Deswegen ist es für Unternehmen wichtig, sich kontinuierlich mit der Frage zu beschäftigen, ob sie gut aufgestellt sind. Es genügt nicht, sich einmal zu wandeln. Digitale Transformation ist grundsätzlich nie komplett abgeschlossen“, sagt Diestel.
Durch die Komplexität und Unvorhersehbarkeit des digitalen Wandels seien viele Unternehmen jedoch weiterhin skeptisch und vorsichtig, bisweilen sogar verängstigt. „Die Digitalisierung ist der Januskopf der Unternehmenskultur. Auf der einen Seite bietet sie enorme Chancen, andererseits aber auch Gefahrenpotenziale. Sie ist per se nicht gut oder schlecht. Die Frage ist, wie man sie nutzt und in welchen Anwendungsfeldern sie am besten ihre Wirkung zeigt. Das Campus Symposium bietet daher eine gute Diskussionsplattform, um genau diese Fragen aufzugreifen“, fasst Diestel zusammen.
Unter dem Motto „Digitize or Die“ findet das Campus Symposium am 6. und 7. September in Iserlohn statt. Bei der größten von Studenten organisierten Wirtschaftskonferenz ihrer Art tauschen sich zahlreiche namhafte Experten aus. Unter anderem werden der ehemalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, NRW-Digitalminister Andreas Pinkwart oder Telekom-Geschäftsführer Hagen Rickmann erwartet. Die Diskussion über das Thema „Kulturwandel in Unternehmen“ wird am ersten Veranstaltungstag durch den Vortrag von Dr. Andreas Brokemper, CEO der Henkell & Co. Sektkellerei KG, eingeleitet.