Sie ist ehrgeizig, engagiert, kompetent und will Treiber des digitalen Wandels sein: die Next Generation, kurz NextGen. In dieser Rolle wird sie im Familienunternehmen dringend gebraucht – 89 Prozent der Nachfolger im deutschsprachigen Raum sehen es als drängendste Aufgabe, eine digitale Geschäftsstrategie zu entwickeln. Gerade in diesem Bereich könnten die NextGen den größten Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg leisten – wenn sie denn dürften. Die Elterngeneration bremst die Nachfolger nach wie vor aus.
Weltweit sagt mehr als jeder Dritte der für die PwC-Studie „Agents of change: Earning your licence to operate“ befragten Nachfolger, dass er mit seinen Ideen kein Gehör in der Familie findet, in Deutschland jeder Vierte.
„Familienunternehmen erkennen inzwischen die disruptive Kraft der Digitalisierung, haben sich aber in den vergangenen zwei Jahren kaum bewegt. Bei unserer Vergleichsbefragung 2017 glaubten ähnlich viele Vertreter der NextGen, 93 Prozent, dass ihr Familienunternehmen digital schlecht aufgestellt ist. Getan hat sich seitdem wenig. Unternehmen müssen aber endlich erkennen, dass sie ihr Geschäftsmodell, so erfolgreich es auch ist, in der neuen Normalität infrage stellen müssen; und Verantwortung mit der Nachfolgegeneration teilen sollten, weil die sich mit digitalen Technologien oft sehr viel besser auskennt“, so Uwe Rittmann, Leiter Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC.
Die junge Generation drängt an die Spitze
Die ist für die Übernahme von mehr Verantwortung bereit: Jeder zweite Nachfolger im deutschsprachigen Raum strebt in den kommenden fünf Jahren eine Position als Geschäftsführer an (weltweit: 41 %). 89 Prozent der für die PwC-Studie befragten NextGen in der DACH-Region sind bereits in das Familienunternehmen eingebunden – gegenüber 70 Prozent weltweit.
Aber obwohl mehr als die Hälfte der befragten Nachfolger, von denen rund 70 Prozent unter 35 Jahre alt sind, schon einen Geschäftsbereich oder ein wichtiges Projekt betreut, trägt nicht einmal jeder dritte NextGen dafür die operative Verantwortung; weltweit sogar nur jeder vierte. Zudem müssen sich 42 Prozent der NextGens (noch) mit der Rolle als Minderheitsgesellschafter begnügen (weltweit 28 %).
„Unsere Studie widerlegt damit das durchaus verbreitete Vorurteil, dass die junge Generation sich vor allem selbst verwirklichen möchte, statt am Erhalt ihres Familienunternehmens mitzuarbeiten. Die kommende Generation will Verantwortung in einer Zeit tiefgreifender Disruption übernehmen. Und sie bringt zahlreiche Eigenschaften mit, die sie dafür prädestiniert, den Wandel zu gestalten. Daher mein Appell an die Elterngeneration: Bindet sie ein, gebt ihnen Freiraum und Vertrauen. Mit ihrem technologischen Verständnis können sie das Unternehmen enorm voranbringen“, forder Dr. Dominik von Au, Leiter NextGen-Netzwerk und Family Governance Consulting.
Next Gen werden häufig von Selbstzweifeln ausgebremst
Die Bereitschaft der älteren Generation, Verantwortung abzugeben, ist eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Nachfolgeregelung. Eine andere ist es, die NextGen bei der Entfaltung ihrer Potenziale zu unterstützen. 54 Prozent der Nachfolger in der DACH-Region wünschen sich dabei Schützenhilfe (weltweit: 61 %). Zu diesen Potenzialen gehören zum Beispiel Führungskompetenzen, die 75 Prozent für wichtig halten, und die Fähigkeit, strategisch zu denken (73 %).
Gleichzeitig sind Selbstzweifel – in der DACH-Region ebenso wie weltweit – für 54 Prozent der jungen Generation eine Hürde, was Rittmann bemerkenswert findet: „Der klassische Patriarch und Unternehmer alten Schlags stellt sich selten infrage. Ich finde es gut, dass die junge Generation anders an ihre Aufgaben herangeht, sich selbst reflektiert und weiß, dass sich Großes heute am besten in einem Team mit den richtigen Köpfen bewegen lässt. Diese Selbstzweifel dürfen aber nicht dazu führen, dass die Nachfolger nicht mehr nachfolgen wollen.“
Der Fachkräftemangel als großes Wachstumsrisiko
Die richtigen Köpfe zu finden, dürfte für die Nachfolge-Generation allerdings immer schwieriger werden. Neben der Digitalisierung des Geschäftsmodells ist der Fachkräftemangel für 93 Prozent der deutschsprachigen Studienteilnehmer eine der größten Herausforderungen. Den NextGen ist klar, dass sie viele Digitale Talente benötigen, um die Transformation ihres Unternehmens voranzubringen. Doch genau die sind rar auf dem Arbeitsmarkt. Der War for Talents habe sich zum größten Wachstumsrisiko für Familienunternehmen entwickelt
Kleine Typologie der Next Generation:
Gestalter (59 % in der DACH-Region): Sie sind die selbstbewusstesten unter den künftigen Führungskräften, wollen an die Spitze des Familienunternehmens und es nach ihren eigenen Vorstellungen verändern. Dabei konzentrieren sie sich vor allem auf Innovationen und die digitale Transformation.
Bewahrer (25 %): Sie haben einen klassischen Karriereweg innerhalb des Familienunternehmens absolviert, sind in der Regel älter als die anderen Vertreter ihrer Generation und haben bereits eine Führungsrolle. Sie konzentrieren sich auf die profitable und professionelle Fortführung des Familienunternehmens.
Intrapreneure (14 %): Sie übernehmen zunächst einen Bereich oder ein Projekt im Familienunternehmen oder es wird sogar ein Bereich des Familienunternehmens ausgegliedert, bei dem die Next Gen ihre Ideen verfolgen kann. Wie ein Startup verfügt dieser Bereich über eine eigene Arbeitsweise und Unternehmenskultur.
Entrepreneure (5 %): Sie gehen ihren eigenen Weg außerhalb des Familienunternehmens. Entrepreneure wollen ihr eigenes, selbst gegründetes Unternehmen führen, innerhalb des Familienunternehmens sehen sie sich eher in einer Governance-Rolle.
Der Kommentar von Rittmann und von Au: „Auffallend ist im Vergleich zu unserer letzten NextGen-Befragung, dass der Anteil der Gestalter von 35 auf 59 Prozent deutlich gestiegen und der der Entrepreneure von 25 auf 5 Prozent gesunken. Das kann man sehr unterschiedlich interpretieren – vielleicht sogar vermuten, dass die NextGen mutloser geworden ist. Nach unseren Erfahrungen aus der Praxis ist das aber keineswegs so. Wir halten diese Entwicklung hingegen für ein gutes Zeichen, weil es zeigt, dass die NextGen wieder stärker erkennt, welchen Wert das eigene Familienunternehmen hat; dass es sich lohnt, sich dort gestaltend einzubringen; und dass sie gebraucht wird, um dieses hohe Gut des eigenen Unternehmens zu erneuern, um es langfristig zu erhalten.“