Für die große europäische Gartner-Konferenz trumpft Chef-Researcher Peter Sondergaard wie immer kräftig auf. In der Eröffnungs-Keynote fordert er CIOs auf, mit einer „bi-modalen“ IT, den Geschäftsbetrieb einerseits grundsolide abzubilden und andererseits die Prozesse „fluide“ zu gestalten, wenn sie im digitalen Geschäft erfolgreich sein wollen. Nur diese Bi-Modalität bringe die benötigte Geschwindigkeit und Flexibilität, mit denen die Unternehmen den digitalen Herausforderungen begegnen könnten. Außerdem stellte Gartner die Grundzüge eines „digital humanist manifesto“ vor. Unter dieser hochtrabenden Bezeichnung plädieren die Analysten, dafür, dass „Technologie, den Menschen in den Mittelpunkt stellt“.
„CIOs können ihre alte IT-Organisation nicht in ein digitales Startup transformieren, aber sie können sie in zu einer bi-modalen IT-Organisation machen,“ sagte Sondergaard. „45% der CIOs geben heute schon an, dass sie eine schnelle Truppe unterhalten. Wir sagen voraus, dass bis 2017 75 % der IT-Abteilungen bi-modal aufgestellt sein werden.“ Sondergaard verzichtete allerdings in diesem Jahr darauf, den bisher von digitaler Eile unbeleckten CIOS ihren baldigen Untergang, mindestens aber ihr Überflüssigkeit zu prognostizieren. Offenbar will er mit den eher moderaten Tönen auch IT-Verantwortliche traditioneller Prägung den Weg in die digitalen Geschäftmodelle schmackhaft machen. Allerdings sind seine Zahlen dramatisch.
Garnter sagt voraus, dass die IT-Ausgaben in EMEA 2015 um 2,6 % auf 1,3 Billionen Dollar steigen werden. Dabei werden weltweit rund 38% des gesamten Ausgaben außerhalb der IT-Abteilungen getätigt. Bis 2017 dürften den Auguren zufolge nicht einmal mehr 50 % von der IT ausgegeben werden.
„In ihrer Organisation finden sich digitale Startups, im Marketing, in der HR, Logistik und im Vertrieb,“ beschreibt Sondergaard. „Als IT-Entscheider müssen sie die (IT) für eine Welt gestalten,ausstatten und nutzen, die zu allererst dem digitalen Paradigma folgt. In diesem neuen Modell ist jede Geschäftseinheit ein Technologie-Startup. Das ist Ihre Gelegenheit, diese Teams zu kreieren. Bilden Sie Partnerschaften mit diesen digitalen Startups, zeigen Sie, dass Sie sich auch schnell bewegen können. Umarmen Sie den äußeren Wandel.“ Natürlich kommt Gartner, kommt Sondergaard ,auf der bedeutendsten europäischen IT-Konferenz nicht um den ein oder anderen Imperativ herum.
Doch so seltsam unangemessen die Diktion zumindest in der deutschen Übersetzung auch klingt. Gartner hat Recht. Die digitale Welt erschafft neue Geschäftsmöglichkeiten – auch unvorhergesehene wie Klingeltonverkauf, Facebook oder Ice Bucket Challenge, die nur mit Hilfe von IT realisiert werden können. Dazu gehört auch, dass sich die Nutzer immer wieder darauf einlassen und bereit sind, Neues zu probieren.
Neues birgt natürlich auch Risiko. Gartner zufolge befürchten viele CIOs, dass die digitale Welt höhere Risiken für ihre Unternehmen birgt. Ihre Komplexität bringe unvorhergesehene Konsequenzen hervor. Deshalb empfiehlt Gartner: „Im digitalen Geschäft, müssen Sie ihr Verhältnis zum Risiko verändern. Digitales Risiko sollte nicht entschärft werden, es sollte begrüßt werden“, postuliert Nunno. „Risiken zu übernehmen ist eine bewusste Führungsentscheidung. Betrachten Sie ihre Fähigkeit mit spezifischen Risiken umzugehen als Kompetenz und Können. Man müsse entscheiden, banalisierte Nunno weiter , welches Risiko es Wert ist, eingegangen zu werden. „Risiken zu akzeptieren ist okay, Risiken zu ignorieren ist tragisch.“ Natürlich ist das eine Binse, aber in Sachen IT und bisher allzu risikoscheuen CIOs musste sie offenbar wieder einmal ausgesprochen werden.
Und mit der nächsten Allerweltsweisheit, nämlich der, wonach man trotz aller technischen Möglichkeiten in punkto Datenanalyse, Sensorik und smartem Prozess-Management nicht vergessen dürfe, dass die vorher zitierten Business-Momente menschliche Momente seien, leitet Gartner zu einer wirklich großen Vokabel über: Digitaler Humanismus. „Digitale Humanisten glauben, dass Technologie dazu da ist, Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Ihnen zu ermöglichen die Dinge zu tun, die sie möchten oder von denen sie nicht wussten, dass sie möglich sind. Der Wert von Technologie resultiert aus ihrer Fähigkeit, das Streben der Menschen zu unterstützen“, sagt Frank Buytendijk, Research Vice President Gartner. „Der digitale Humanist denkt in den Begriffen, Verhalten, Emotion, Interaktion, nicht in traditionellen Prozessen“. Falls sich jetzt ein Leser fragt, was denn einen digitalen von einem analogen Humanisten unterscheidet, lässt Gartner diese Frage leider unbeantwortet und skizziert stattdessen die Grundelemente des „digitalen humanistischen Manifests“,, das folgende Grundforderungen an den CIO enthält:
- Stellen Sie Menschen in den Mittelpunkt – Jedes Design sollte sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientieren. Das fängt mit der Beobachtung an. Fragen Sie die Leute nicht nach ihren Anforderungen. Jeder hat Schwierigkeiten, solche Anforderungen zu formulieren. Fragen sie die Leute nicht, beobachten Sie sie.
- Heißen Sie Unvorhersehbarkeit willkommen – Das Unerwartete zu erwarten ist keine neue Forderung, aber im digitalen Geschäft unerlässlich. Sobald eine Technologie in der Hand der Nutzer ist, beeinflusst es ihr Verhalten. Als Führungskräfte können sie nur zuhören, beobachten und kein Hindernis darstellen. Wenn Sie das machen rsultieren darau:_ neue Produkte, neus Markenbotschafter, neue Märkte und neue, wirksame Differenzierungsmerkmale.
- Beschützen Sie die Privatspähre – Lassen Sie die Leute ihre eigenen Entscheidungen treffen. Der digitale Humanist verinnerlicht das Postulat von „Privacy bei Design“ an. Er akzeptiert Datenschutz über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes oder Services hinweg.