Amazon AWS und Ryanair haben viel gemein. Ein Blick auf die jüngere Geschichte der Airline-Industrie lohnt sich um zu verstehen, wie der IT-Markt der Zukunft aussehen könnte. Er wird nämlich vor allem Eines nicht sein: Ein Oligopol, das aus Public Cloud Anbietern aus den USA besteht, meint Steve Janata, Managing Director bei Crisp Research
Als 1993 Michael O´Leary die kleine, stark defizitäre Regionalfluglinie Ryanair übernahm, rechnete niemand unter den etablierten Playern bei British Airways, Lufthansa & Co. damit, dass diese Airline sie für die kommenden Jahre mit Arbeit in Sachen Transformation des eigenen Geschäftsmodells beschäftigen würde.
Ryanair wollte nicht weniger als den Flugmarkt revolutionieren und für neue Wettbewerbsverhältnisse sorgen. Das war nur durch radikale Kostensenkungen und im zweiten Schritt mit dann niedrigeren Preisen machbar. Um diese Kostensenkungen herbeizuführen, wurde gleichzeitig an mehreren Fronten gekämpft. Zunächst wurde in großem Maße standardisiert, indem nur noch gleiche Flugzeugtypen der Marke Boing gekauft wurden, das spart Kosten bei der Ausbildung der Piloten und Stewardessen und erhöht den Spielraum bei Verhandlungen beim Kauf neuer Jets. Sämtliche Services, die zuvor bei anderen Airlines selbstverständlich waren, wurden gestrichen, oder kostenpflichtig gemacht. Bordentertainment? Braucht kein Mensch. Essen und Trinken? Kann der Gast mitbringen. Gepäck? Bitte Zahlen! Außerdem flog und fliegt Ryanair nur Flughäfen an, die, sagen wir mal nicht zu den zentralen Drehscheiben gehören und dementsprechend auf der Gebührenseite sehr zurückhaltend sind. Nicht zuletzt achtet Ryanair penibel darauf, die Auslastung jeder einzelnen Strecke hoch zu halten, denn nur so ist in diesem Markt überhaupt Geld zu verdienen. Das alles führte dazu, dass Ryanair mit konkurrenzlos günstigen Ticketpreisen den gerade liberalisierten Flug-Markt und den Wettbewerb derartig unter Druck setzte, dass viele diesen Kampf nicht überlebten. Fliegen wurde also auf den eigentlichen Kern reduziert: das Fliegen, also den physischen Transport von A nach B.
Das Ryanair-Modell funktioniert auch in der IT-Industrie
Die Parallelen zu Amazon AWS sind unverkennbar. Auch bei Amazon wurde das Produkt bis auf den Kern reduziert, nämlich Rechenleistung und Speicher. Auch Amazon hat es geschafft den IT-Markt, der bis zum Markteintritt 2006 vor allem durch die Behäbigkeit, Arroganz und unverschämt hohe Margen der Anbieter gekennzeichnet war aufzubrechen und umzukrempeln. Das ist und bleibt ein Verdienst.
Die Mittel sind ähnliche wie bei Ryanair. Amazon AWS hat seine gesamte Infrastruktur einer eigenen Architektur unterworfen und standardisiert. Hier konnten massiv Kosten gespart werden. Auch beim Thema Service wurde ein radikaler Weg gegangen. Die Kunden waren es bisher gewohnt, von den Anbietern ihrer teuren Hard- und Software nach allen Regeln der Kunst umsorgt zu werden. Vorbei. Bei Amazon AWS heißt es Do-it-your-own. Wenn Du einen Service willst, dann zahle dafür. Wenn es überhaupt einen gibt. No-Frills, der Ansatz der Billig Airlines beschreibt den Ansatz von Amazon AWS ebenfalls sehr treffend.
Aus Sicht der Kunden hat die Revolution im Airline-Markt Licht und Schatten. Der Wettbewerb ist intensiver geworden, die Streckenauswahl größer und die Kosten zumindest nicht gestiegen. Der Service allerdings ist lausig, der Kostendruck bei den klassischen Airlines hat dazu geführt, dass man auf einen innereuropäischen Flug höchstens einen Schokoriegel ausgehändigt bekommt. Es steht zu befürchten, dass der im IT-Markt einsetzende Kostendruck ähnliche Folgen für die Service-Qualität haben könnte.
Preis ist nicht gleich Kosten
Auch bei Amazon AWS wird der Markt über den Preis erobert, um genau zu sein über ein Preis-Marketing. Genau wie bei Ryanair haben die Kunden mittlerweile verstanden, dass Preis und Kosten weit auseinanderliegen können. Denn natürlich ist bei Amazon AWS die CPU-Stunde günstig. Das sagt allerdings noch überhaupt nichts über die entstehenden Kosten aus. Und die sind in vielen Fällen eben überhaupt nicht günstig. Beispielsweise wenn eine entsprechende Leistung fest zugesichert wird (Reserved Instances).
Deshalb wird es bei Amazon AWS und im IT-Markt wohl ähnlich kommen wie in der Airline-Industrie. Der Markt ist im Umbruch und viele klassische Anbieter kämpfen mit den veränderten Markt- und Wettbewerbsbedingungen. Einige werden dieses Beben auch nicht überleben. Aber dennoch kann man getrost davon ausgehen, dass es im IT-Markt ähnlich wie in der Airline-Industrie eine natürlich Grenze für diese Modelle gibt und auch dort die Bäume erstmal nicht in den Himmel wachsen werden. Denn hier wie dort wird zum einen nicht alles über den Preis entschieden. Sonst gäbe es keinen Markt für Business-und First-Class im Flugmarkt. Und zum anderen geraten diese Modelle an Ihre Grenzen. Die Kostenvorteile auf der Langstrecke sind beim Fliegen für Low-Cost Airlines eher gering. Das ist auch der Grund, warum immer noch die klassischen Airlines diesen Teil-Markt beherrschen. Das gleiche gilt für hochskalierende Public Cloud Modelle. Sobald diese sich aus der Nische befreien wollen – und in einer solchen stecken sie- und Services und Support für Enterprise-Kunden anbieten wollen, dann gibt es keinen Kostenvorteil mehr. Service skaliert nicht.
Amazon AWS in der Strategiefalle
Und so ist davon auszugehen, dass Amazon AWS zwar auch in Zukunft stark wachsen kann, strategisch gesehen sitzen sie aber auch in einer Falle. Unternehmenskunden haben Ansprüche an Service, Support, Security und Compliance. Wenn Amazon diesen entgegenkommen will, dann muss AWS sein Konzept verwässern und wird große Teile seines Kostenvorsprungs verlieren. Wenn sie das Konzept in Reinheit weiter betreiben, wird AWS allerdings nur in kleinem Maße im Markt für Unternehmenskunden erfolgreich sein können. Dass der Public Cloud Markt kein Ponyhof ist und zudem nicht endlos groß, zeigt auch die gerade gemachte Ankündigung vom US-Anbieter Rackspace, seineInfrastruktur nur noch im Paket mit Services anzubieten.
Und so wird es kommen wie im Airline-Markt. Public Cloud wird zu einem festen Marktbestandteil, aber eben auch nur ein kleinerer Teil bleiben. Die etablierten Player werden dem Modell von Amazon in Skalierung und Kosten entgegenkommen und sich so ihre Marktposition absichern. IBM gibt hierbei mit der Softlayer-Akquisition ein gutes Beispiel. Zum Glück für Amazon AWS befinden wir uns gerade inmitten einer digitalen Revolution, das heißt, dass Amazon absolut gesehen noch stark wachsen kann. Die Frage ist nur, ob AWS es auch relativ gesehen zum eigenen Segment überproportional tun wird. Und ob AWS profitabel sein kann.
Auf dem Weg vom Geek zum Durchschnittstyp
Amazon AWS wird sich also daran gewöhnen müssen, vom Enfant Terrible der IT-Industrie zu einem normalen Infrastruktur-Anbieter zu werden. Allerdings muss AWS dann auch noch lernen, sich wie ein seriöser Anbieter zu verhalten, insbesondere im Rahmen der eigenen Informationsstrategie. Denn die Öffentlichkeitsarbeit bei Amazon beschränkt sich auf Produktankündigungen- und natürlich auf Ankündigungen von Preissenkungen. Belastbare Informationen zur IT- und RZ-Infrastruktur und belastbare Zahlen zu Umsatz und Ertrag hat noch keiner zu sehen bekommen. Es gibt eigentlich nur einen guten Grund, warum ein Konzern wie Amazon diese Zahlen nicht getrennt ausweist. Sie würden irgendetwas offenlegen, was nicht in das öffentliche Bild und die eigene Kommunikationsstrategie passt. Wenn man sich die Strategie von Amazon im Handel anschaut –Wachstum um jeden Preis auf Kosten der Marge – dann kann man davon ausgehen, dass es auch bei AWS bis heute an der Profitabilität mangelt. Gerne lässt sich der Markt durch Veröffentlichung von Zahlen eines Besseren belehren.