Android gilt als fragmentiert und unsicher. Unternehmen setzen daher bereits heute auf Technologien und Lösungen, die nicht auf Google basieren. Wenngleich der Suchmaschinengigant mittlerweile erste Lösungen für Enterprise Mobility präsentiert hat, droht auf lange Sicht ein großes Verlustgeschäft. Denn die Trendsetter heißen heute Citrix, Apple & IBM, Microsoft und VMware. Eine Einschätzung von Maximilian Hille, Analyst bei Crisp Research.
Enterprise Mobility genießt in Deutschland aktuell höchste Aufmerksamkeit. Medial wie auch in den Unternehmen selbst bestimmt dieses Thema einen wesentlichen Teil des Alltags. In einem, gemessen an den Anbietern, recht kleinen Marktumfeld werden allerdings oftmals Entscheidungen für oder gegen Produkte getroffen, die das zukünftige Geschäft maßgeblich beeinflussen werden.
Denn Unternehmen sind in der Pflicht, bereits heute die Weichen für das mobile Arbeiten zu stellen. Zukünftig werden neue, auf mobiler Datennutzung basierende Geschäftsprozesse und –modelle entstehen, die erfolgsentscheidend sind. Es ist daher wichtig, bereits heute erste Schritte in Richtung Mobility zu setzen.
Googles Android polarisiert
Das Oberziel einer guten Enteprise Mobility-Strategie ist es, mit einem angemessenen Kosten- und Aufwandsniveau einen Technologie-Stack aufzubauen, der hinsichtlich Funktionalität, Integration und Sicherheit möglichst optimal zu den Bedürfnissen des Unternehmens passt.
Von den großen Lösungsanbietern sticht insbesondere einer negativ hervor: Google mit Android.
Bekanntermaßen ist Android, mit rund 74% Marktanteil, die am weitesten verbreitete mobile OS-Plattform auf der Welt. Auch in Deutschland erfreut sie sich an einer Vielzahl von Nutzern. Dies hat diverse und teilweise auch verständliche Gründe:
- Android ist eine Open-Source-Software, die – unter gewissen Limitationen – frei von anderen Entwicklern angepasst werden kann.
- Dies führt dazu, dass besonders viele Gerätehersteller mit einer Android-Version auf dem Markt vorhanden sind und somit preislich und hardwareseitig für eine große Vielfalt sorgen können.
- Nutzer, insbesondere technik-affine, können sich ihr mobiles Betriebssystem sehr stark an die eigenen Bedürfnisse anpassen.
- Android ist hinsichtlich App-Store und Interaktionsmöglichkeiten wettbewerbsfähig und bietet häufig bestimmte Features als erstes an.
Dennoch muss auch die Kehrseite der Android-Medaille beachtet werden. Die oben angesprochenen Limitationen, die unter anderem den Zwang beinhalten, standardmäßig Googles Apps ab Werk als vorinstallierte Software bereitzustellen, lässt bei einigen Entwicklerteams (Custom-ROMs) und Behörden die Alarmglocken schrillen. Dies führt dazu, dass groß angelegte Kartellverfahren aufkommen und neue, alternative Betriebssysteme auf Android-Basis entstehen, die nicht mehr von Google gelenkt und kommerzialisiert werden.
Dies führt unter dem Strich dazu, dass die Profitabilität hinter dem kostenlosen Android-Betriebssystem für Google immer weiter zurückgeht. Denn schafft es Google nicht mehr, die eigenen Services über Android zu vermarkten, fällt eine wesentliche Einnahmequelle weg.
Android ist derzeit keine Option im Enterprise-Umfeld
Damit Android wieder zu einem profitablen Produkt für Google avancieren kann, müsste das Unternehmen den Markt für Enterprise Mobility ernsthaft angehen. Unternehmen wünschen sich einen möglichst einheitlichen Stack, die Anbindung an Software und Services und optimalerweise einen einzelnen Ansprechpartner. Mit Googles Portfolio, das neben Mobility auch viele Cloud Services, von IaaS bis SaaS beinhaltet, könnte der Anbieter sich theoretisch tief in den Unternehmen verwurzeln.
Doch wenn es um ernstes Geschäft geht, hat Google in der Realität womöglich den schwersten Stand von allen Anbietern in diesem Umfeld. Auch dafür liegen diverse verständliche Gründe vor:
- Android ist mit einer Abdeckung von über 70% der weltweiten Smartphones das Angriffsziel No. 1 für Hacker. Aufgrund der hohen Nutzerzahl können Cyberkriminelle ihre Schadsoftware über Android am schnellsten an eine große Gruppe bringen.
- Sicherheitsfeatures, die von Android selbst mitgeliefert werden – beispielsweise Authentifizierungen von Apps – bleiben auf Nutzerseite vielfach deaktiviert.
- Sicherheitsfeatures, die andere Hersteller einbringen (bspw. Samsung KNOX), minimieren die Anzahl möglicher Geräte, sodass ein wesentlicher Vorteil der Android-Vielfalt wegfällt.
- Es existieren unzählige verschiedene Android-Versionen, die meist nicht einheitlich verwaltet werden können. Nur mit einem erheblichen Koordinationsaufwand und einer umfangreichen Enterprise Mobility Management-Strategie ist eine Kontrolle der Geräte und Daten wirklich gesichert.
Im Enterprise-Umfeld, wo die Datennutzung gerade auf Mobilgeräten eine geschäftskritische Rolle einnimmt, muss bei jeder Strategie mit dem Worst Case gerechnet werden. Sind die Anwender nicht in der Lage, die Datennutzung entsprechend der Vorgaben zu gewährleisten, entstehen Sicherheitsrisiken. Und auch die beste EMM-Suite stellt keine Dauerkontrollinstanz für die Nutzer dar, sodass dieses Restrisiko wohl kaum minimiert werden kann.
Hat Google den richtigen Zeitpunkt für den Markteinstieg in Enterprise Mobility versäumt?
Es ist zu konstatieren, dass Android mit einer Reihe von möglichen Problemen daherkommt, die Google auf lange Sicht bedrohen können. Zwar kann man diese Probleme bereits in der Entstehung weglächeln oder übergehen, doch als langfristige Basis für einen geschäftskritischen Bereich eignet sich ein Konstrukt auf wackeligen Beinen wohl kaum.
Man muss Google zugute halten, dass der Konzern das Thema Mobility wirklich weit oben auf der Agenda führt. Offenbar hat man darüber hinaus auch erkannt, dass das bestehende Android-Modell nicht dazu geeignet war, das Business adäquat anzusprechen.
Mit Android for Work, der neuen EMM-Suite von Google, sollen nun einige der oben geschilderten Probleme gelöst werden. Gemeinsam mit den Business geeigneten Apps der Google Apps for Work-Familie möchte Google zukünftig eine bessere und umfangreichere User Experience auch im Enterprise-Umfeld bieten. Die Idee dahinter ist nicht neu. Deshalb ist sie aber keinesfalls schlecht.
Da sich klassisches Mobile-Device-Management, die erste Stufe von Enterprise Mobility im Unternehmen, heute bereits zum umfassenden Enterprise Mobility Management wandelt, sind zusätzliche Funktionen und Services immer beliebter. Ob Android for Work allerdings hinsichtlich der Datenschutzbestimmungen die deutschen Ansprüche erfüllen kann, ist offen. Darüber hinaus muss man sich fragen, ob Google nicht bereits zu spät für einen erfolgreichen Markteinstieg in Enterprise Mobility kommt.
Denn mittlerweile haben erste Unternehmen Enterprise Mobility bereits tief in das eigene Unternehmen verankert. Der Markt und die Funktionen der Produkte haben sich weiterentwickelt und erste Stacks und Allianzen gebildet. Für Google ist es schwer, einen eindeutigen Enterprise-USP zu formulieren.
Die Partnerschaft von IBM und Apple hat gezeigt, dass zwei sehr verschiedene Unternehmen in einer Synergie große Potenziale heben können. Zwar überzeugen die Ergebnisse auf Anwendungsebene noch nicht alle Anwender. Dennoch ist der Hintergrund der Partnerschaft für alle ersichtlich. Apple, das bereits ohnehin eine wichtige Position im Mobile Enterprise inne hat, kann mit IBM nun noch weitere Anwendungen und Services bieten, die sich im Laufe der Jahre immer weiter entwickeln werden und somit, wenn auch von Zeit zu Zeit nur reaktiv, neue Features hervorbringen.
Microsoft kommt dahingehend ein Alleinstellungsmerkmal zu, da das Unternehmen nahezu keine neuen Kunden mehr anwerben muss. Da fast jedes Unternehmen irgendwo in seinem Technologie-Stack eine Microsoft-Komponente besitzt, ist Microsoft mit einem ganzheitlichen Angebot derzeit fast immer auf der Shortlist der Unternehmen. Mithilfe der neu gelebten Plattform-Offenheit gelangen heute wenigstens mobile Services in den Geschäftsalltag. So stellt Microsoft sicher, dass die langjährigen Kunden ihnen nicht verloren gehen. Mit Windows 10 und den dazugehörigen Features wird dann ein erneuter Angriff auf das Enterprise-Geschäft erfolgen.
Neben den Herstellern von Devices, die ihr Enterprise-Portfolio um ihre Services erweitert haben, spielen auch die Virtualisierungsexperten eine zunehmend wichtige Rolle im Enterprise Mobility-Umfeld.
VMware und Citrix entwickeln um ihre (ursprünglich zugekauften) Enterprise Mobility-Lösungen ebenfalls ein umfangreiches Software- und Service-Portfolio, dass den Unternehmen neben den klassischen EMM-Funktionen verstärkt zusätzliche Anwendungen bietet.
Leuchtet die Google-Flamme noch einmal auf?
In einem großen, aber hart umkämpften Markt für Enterprise Mobility zeichnen sich erste Tendenzen ab. Diejenigen, die nicht frühzeitig für eine klare Abgrenzung oder einen guten Kundenzugang gesorgt haben, müssen nun retten, was noch zu retten ist. Google hat gezeigt, dass die Ansätze und das Selbstverständnis stimmen. Allerdings bleibt es dabei, dass die angekündigten Funktionen sich in der Praxis bewähren müssen. Dies gilt zukünftig auch für Dienste wie Project Fi und Co., die Googles Portfolio weiter verbreitern werden. Schafft es Google aber dennoch nicht, die Hürde der vielen bekannten Probleme zu überspringen, muss man sich über den ernsten Impact von Android im Enterprise Mobility-Umfeld gar keine Sorgen machen, denn er wird nicht existieren.