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Digitalisierung im deutschen Großhandel: Drehscheibe der Wirtschaft ist in digitaler Not

Mit rund 160.000 Unternehmen beschäftigte der Großhandel 2015 rund 2 Millionen Arbeitnehmer und setzte Waren im Wert von 1.130 Milliarden Euro um. Das macht ihn zum drittgrößten Arbeitgeber in Deutschland und entspricht fast zwei Drittel des Gesamt-Handelsumsatzes. Konkurrenz bekommen die Großhändler allerdings seit einiger Zeit von neuen, digitalen Wettbewerbern. Sie bringen traditionelle Geschäftsmodelle ins Wanken.

 

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Laut einer Studie von Roland Berger und dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) mit dem Titel „Digitale Transformation des Großhandels“ befürchtet mehr als jeder Zweite (54 %) vor allem durch digitale Plattformen eine Gefahr für sein Geschäftsmodell. Somit sei der digitale Wandel auch im deutschen Großhandel bereits Realität und soll das traditionelle Geschäftsmodell künftig tiefgreifend verändern. Das sehen auch 94 Prozent der Studienteilnehmer so.

„Waren früher ausschließlich persönliche Kundenbeziehungen, ein umfassendes Sortiment oder die Finanzierungsfunktion des Großhandels ausschlaggebend für den Erfolg, ist heute die umfassende Analyse von Kundendaten als Basis für die effektive Kombination von on- und offline-Vertriebskanälen mit entscheidend.“ sagt Patrick Heinemann, Großhandelsexperte bei Roland Berger.

Großhandel gerät unter Druck

Der Großhandel gerät durch die Digitalisierung immer stärker unter Druck. Denn Hersteller nutzen vermehrt digitale Vertriebskanäle und die daraus gewonnen Kundendaten direkt für sich, und digitale Wettbewerber drängen zunehmend in den B2B-Markt. „Dies wird das Geschäftsmodell Großhandel in vielen Branchen massiv verändern oder sogar in Frage stellen“, sagt Heinemann. Aktuell sehen die Großhändler allerdings die größte Gefahr bei der Preisgestaltung von Produkten (62 %), dem Zugang zu digital affinen Kunden (43 %) und der Logistikkompetenz digitaler Plattformen (37 %).

Kundenbindung hat höchste Priorität

„Viele Großhändler haben bereits mit der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse begonnen; immerhin fast ein Viertel der Umfrageteilnehmer konnten so ihren Gewinn verbessern. Selbst von den nach eigener Einschätzung stark aktiven Großhändlern im Bereich Digitalisierung glaubt jeder fünfte Teilnehmer allerdings, dass seine Bemühungen noch nicht ausreichen, um im digitalen Wettbewerb zu bestehen“ erklärt André Schwarz, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BGA.

Die meisten Initiativen konzentrieren sich derzeit auf den Bereich Vertrieb. Rund die Hälfte der Firmen setzt neue Methoden und Technologien zur Kundenbindung ein oder baut sie aus (67 %). Auch die Nutzung quantitativer Datenanalysen (Big Data) wird bereits von über 20 Prozent vorangetrieben, stecke aber oftmals noch in den Kinderschuhen. Die Vorteile solcher Analysen sieht v.a. der klassische Außendienst oftmals kritisch, und beschwört seit jeher den direkten Kundenkontakt, wenn es darum geht, die Kunden wirklich zu verstehen.

„Hier ist ein Umdenken erforderlich. Denn die systematische Auswertung großer Datenmengen und detailliertes Wissen über Kundenwünsche ermöglichen ein passgenaueres Produktangebot und einen effizienteren Vertrieb“, erläutert Heinemann. Nachholbedarf sehen die Experten auch beim Einsatz der RFID-Technik. Denn diese Technik für die Gewinnung von Daten wird aktuell nur von 5 Prozent der Befragten vorangetrieben.

Die Digitalisierung wird auch im Großhandel durch das Top-Management vorangetrieben (71 %). Zu wenig eingebunden ist bislang der Vertrieb (22 %), der den wichtigsten Beitrag bei der digitalen Kundenbindung liefern sollte.

Digitalisierung sollte Mehrwert für Kunden bringen

Insgesamt lautet die Marschrichtung: mehr Innovationen wagen und in neue Ideen investieren, um die neuen Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Denn der digitale Wandel bietet dem Großhandel auch beträchtliche Chancen und weitere Absatzmöglichkeiten. „Um den digitalen Wandel erfolgreich zu meistern, braucht jedes Unternehmen eine individuelle Strategie für die digitale Welt“, so Schwarz.

„Wichtig ist es dabei, dass die Mitarbeiter in den Prozess aktiv eingebunden werden und gleichzeitig Verantwortung übernehmen. Fehler müssen erlaubt sein, die in einem solchen Transformationsprozess nicht ausbleiben“, so Schwarz. In diesem Zusammenhang spielen externe Innovationsnetzwerke eine zunehmend wichtige Rolle, in denen Unternehmen und Mitarbeiter die digitale Welt kennenlernen.

Veränderungen sind aber auch mit Blick auf die Kunden erforderlich: Bestehende und potenzielle sollten anhand ihrer digitalen Anforderungen in neue Kundensegmente eingeteilt werden. Auf dieser Basis entscheide sich dann, welcher Kunde über welche Kanäle wie angesprochen wird. Wichtig ist, dass die gesamte Produkt- und Servicepalette über On- und Offline-Kanäle angeboten werden kann. Für die Vertriebsstrukturen im Großhandel folgt, dass sich die klassischen Trennlinien im Vertrieb auflösen müssen, damit die analoge mit der digitalen Welt zusammenwächst, fasst Patrick Heinemann zusammen.

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