Finanzdienstleister in Deutschland setzen auf künstliche Intelligenz und haben dabei in erster Linie die Kunden im Blick. Jede zweite Bank oder Versicherung nutzt bereits eine bestimmte KI-Anwendung, mit der sie ihre Kunden besser verstehen und passendere Leistungen entwickeln können. 24 Prozent der Finanzdienstleister lassen große unstrukturierte Datenmengen mit einer speziellen Knowledge Management Software auswerten. Jedes fünfte Institut sammelt Erfahrungen mit digitalen Assistenten, so genannten Chatbots. Das sind Ergebnisse der Potenzialanalyse „Künstliche Intelligenz“ von Sopra Steria Consulting.
Finanzdienstleister betonen stärker als andere Branchen, dass sie durch Anwendungen von künstlicher Intelligenz vorrangig die Leistung für Kunden verbessern wollen. Sie versprechen sich zum Beispiel viel davon, mit einer besseren Datenauswertung Produkte auf einzelne Kunden zuzuschneiden und die Ansprache zu verfeinern. 35 Prozent wollen das Erlebnis der Kunden im Austausch mit den Unternehmen positiver gestalten. Für 26 Prozent der Banken und Versicherer gehört kognitiven Systemen die Zukunft.
Weiteres zentrales Einsatzfeld: Automatisierung
„Cognitive Computing ist das fehlende Bindeglied, um die Bedeutung unstrukturierter Informationen zu verstehen und im richtigen Kontext anzuwenden“, sagt Martin Stolberg, KI-Experte von Sopra Steria Consulting. Denkbar sind etwa Auswertungen von Stimmungsbildern in sozialen Netzwerken wie Twitter. „Banken können so zum Beispiel im Vorfeld von Konditionsänderungen austesten, wie Kunden reagieren könnten und ihre Maßnahmen sowie die Kommunikation darauf abstimmen“, so Stolberg.
Eines der weiteren zentralen Einsatzfelder für künstliche Intelligenz ist die Automatisierung – das gilt auch für Finanzdienstleister. Der Einstieg in die KI-Welt führt häufig über das so genannte Robotic Process Automation. 26 Prozent der Banken, Versicherer und anderen Finanzinstitute wollen Kosten sparen und Mitarbeiter von geistiger Fließbandarbeit befreien, indem sie heute bereits Softwareroboter Zahlenkolonnen abarbeiten und Excel-Tabellen füllen lassen.
Dabei wird es allerdings nicht bleiben. Die Investitionen in KI-Vorhaben in der Finanzbranche sollen in den kommenden Jahren ausgeweitet werden. 45 Prozent der befragten Entscheider von Finanzdienstleistern sehen ein großes Potenzial darin, mit digitalen Assistenten Kundenservice und Vertrieb zu verbessern und Beratung für die Masse anzubieten. „Ein großes Ziel der Finanzdienstleister ist, den passenden Vertriebsimpuls zum richtigen Zeitpunkt zu erkennen. Dafür werden künftig selbstlernende Recommendation Engines sorgen“, sagt Simon Oberle, Bankenexperte und Leiter der DigiLabs von Sopra Steria Consulting in Berlin und Frankfurt.
Datenschutz ist eine große Herausforderung
Potenzial und gleichzeitig Entwicklungsbedarf sehen Finanzdienstleister bei sprachgesteuerten Anwendungen. Derzeit nutzen nur zwölf Prozent eine Spracherkennung, beispielsweise beim Einsatz von Chatbots. Fast jeder dritte befragte Entscheider ist allerdings überzeugt, dass sich diese Technologie künftig etablieren wird.
Unausgereifte Technik ist übergreifend die zentrale Hürde, die Unternehmen vom Einsatz von KI abhalten, so die Studie. Mehr als in anderen Branchen spüren Finanzdienstleister zudem Gegenwind für ihre KI-Vorhaben durch gesetzliche Regeln. Dazu zählt vor allem die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die ab Mai 2018 verbindlich für Unternehmen gelten wird. Für 41 Prozent der befragten Entscheider im Finanzwesen sind die Einhaltung aktueller und kommender gesetzlicher Vorgaben zur Datennutzung und die Absicherung der IT-Systeme sowie der Übertragungswege die größte Herausforderung für den Einsatz künstlicher Intelligenz. Eine weitere große Hürde, die viele Banken und Versicherer sehen, ist der Aufbau von Know-how. Jedes dritte Unternehmen aus dem Finanzsektor beklagt ein fehlendes Verständnis für die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz.
Über die Studie: Für die „Potenzialanalyse Künstliche Intelligenz“ wurden im Auftrag von Sopra Steria Consulting im Februar 2017 mehr als 200 (n=203) Geschäftsführer, Vorstände, und Führungskräfte im Business Development und aus Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern befragt. Die Teilnehmer kommen aus Unternehmen der Branchen Banken, Versicherungen, sonstige Finanzdienstleister, Energieversorger, Automotive und sonstiges verarbeitendes Gewerbe, Telekommunikation und Medien sowie Öffentliche Verwaltung. Explizit von der Teilnahme ausgeschlossen waren Mitarbeiter und Führungskräfte von Beratungsunternehmen und Anbieter von IT-Lösungen sowie der Handel.