Die Finanzdienstleistungsbranche könnte durch den Einsatz intelligenter Automatisierungs-Mechanismen bis zum Jahr 2020 weltweit mit ein Umsatzplus von 512 Milliarden US-Dollar rechnen – in Deutschland könnten im gleichen Zeitraum Banken und Kapitalmarktunternehmen mit einem zusätzlichen Umsatz von 13,38 Milliarden US-Dollar (plus 6,56 %) und Versicherungen mit 21,42 Milliarden US-Dollar (plus 6,11 %) rechnen.
Voraussetzung dafür ist laut einer Studie des Digital Transformation Institute von Capgemini sei, dass Robotik-Prozessautomatisierung (RPA), künstliche Intelligenz und Geschäftsprozessoptimierung miteinander verbunden und zum Erreichen der Geschäftsziele eingesetzt werden. Der Bericht „Growth in the machine: How financial services can move intelligent automation from cost play to growth strategy“ will zeigen, wie der Finanzdienstleistungssektor diese Technologien nutzen kann.
Bisher wurden in der Finanzdienstleistungsbranche Automatisierungstechnologien wie RPA zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung eingesetzt. Mit RPA könne ein Unternehmen seine Kosteneinsparungen um 10 bis 25 Prozent steigern. Werde RPA mit KI-Maßnahmen kombiniert, können diese auf 30 bis 50 Prozent erhöht werden.
Mehr Umsatz und höhere Kundenzufriedenheit durch Automatisierung
Für Jenny Dahlström, Deputy Head of Business Support and Development und Head of Robotic Implementation bei Handelsbanken Capital Markets wird im Bereich der Automatisierung in den nächsten Jahren viel passieren: „RPA ist nur ein Werkzeug von mehreren. Wir werden auch KI-basierte Anwendungen und Prozessoptimierungstechniken zur Automatisierung im Finanzmarkt einsetzen.“
Führende Finanzdienstleister haben damit begonnen, Automatisierungstechniken im direkten Kundenkontakt anzuwenden. Sie nutzen diese nicht nur um Kosten einzusparen, sondern auch um Umsatz zu generieren. Im Durchschnitt konnten mehr als ein Drittel (35 %) der Finanzdienstleister weltweit ihren Umsatz durch Automatisierung um 2 bis 5 Prozent steigern, so die Studie (34 % der Banken, 33 % der Versicherer und 37 % der Kapitalmarktunternehmen).
Schnellere Produkteinführungszeiten und verbessertes Cross-Selling seien hierbei die wichtigsten Faktoren, die den Gewinn beeinflussen. Inzwischen haben 64 Prozent der Banken, Versicherungen und Kapitalmarktunternehmen eine Verbesserung der Kundenzufriedenheit um mehr als 60 Prozent durch intelligente Automatisierung festgestellt, so der Bericht.
Angesichts der Vorteile sei es nicht verwunderlich, dass immer mehr Finanzdienstleister den Einsatz der Technologie an vorderster Stelle erwägen. Mehr als die Hälfte der Unternehmen konzentriert sich auf die Steigerung der Kundenzufriedenheit durch Automatisierung, während fast die Hälfte (45 %) Umsatzsteigerung als zentrales Ziel ansieht.
Schleppende Einführung – trotz Konkurrenz durch BigTechs
Auch die wachsende Konkurrenz durch nicht-traditionelle Akteure im Finanzdienstleistungsmarkt sei weiterer Grund für den Einsatz dieser Technologien. So glaubt fast die Hälfte (45 %) der Unternehmen, dass BigTechs wie Amazon und Alphabet in den nächsten fünf Jahren ihre Konkurrenten sein werden.
Obwohl die BigTechs eine gewisse Gefahr darstellen und die Chancen für den Einsatz intelligenter Automatisierungstechniken sprechen, geht die Einführung langsam vonstatten. Nur 10 Prozent der befragten Unternehmen weltweit haben die Technologie skalierbar implementiert.
Während in Indien (17 %), Großbritannien und Schweden (jeweils 13 %) die meisten Unternehmen umfassend Automatisierungstechniken eingeführt haben, sind in Deutschland nur fünf Prozent bereits dabei.
Die Mehrheit aller Unternehmen hat mit geschäftlichen, technologischen und personellen Herausforderungen zu kämpfen. Die Studie zeigt, dass nur etwa jedes vierte Unternehmen über die technologische Reife verfügt, um kognitive Automatisierungstechnologien wie maschinelles Lernen, Computer Vision und Biometrie zu implementieren. Die meisten Unternehmen setzen lediglich RPA oder – bestenfalls – Natural Language Processing (NLP) ein und diese sind das Rückgrat ihrer Automatisierungsinitiativen.
Joerg Becker, Senior Manager von Capgemini Consulting in Deutschland, sagte: „Nur die fortschrittlichsten Unternehmen unter den Finanzdienstleistern haben Führungskräfte mit einer genauen Vorstellung davon, welche Möglichkeiten sich durch Automatisierung für ihr gesamtes Geschäft ergeben könnten. Während sie schon jetzt Gewinne verbuchen, wird der Anteil aus automatisiert generierten Umsätzen signifikant weiter steigen. Nur Unternehmen, die diese Technologien richtig orchestriert einsetzen, so dass sie über die reine Kostenreduzierung hinausgehen und sich auf die Wertschöpfung für Kunden und Aktionäre konzentrieren, können am Markt bestehen.“
Hürden auf dem Weg zur Automatisierungsstrategie
In der Studie werden mehrere Faktoren genannt, die Unternehmen daran hindern, über erste Pilotprojekte hinauszugehen und intelligente Automatisierung einzusetzen.
- Rund vier von zehn Unternehmen (43 %) kämpfen damit, ein klares Nutzenszenario für die Automatisierung zu entwickeln. Das führe dazu, dass viele von ihnen die Führungsetage nur schwer von einer schlüssigen intelligenten Automatisierungsstrategie überzeugen können (41 %).
- Fast die Hälfte der Unternehmen (48 %) gibt an, dass sie Probleme haben, die richtigen Ressourcen zu finden, um intelligente Automatisierung effektiv zu implementieren.
- Eine fehlende adäquate Datenmanagementstrategie sahen außerdem 46 Prozent als fortschrittshemmend an, da KI-basierte Automatisierungsalgorithmen die richtigen Daten in ausreichender Menge benötigen.
Jose Ordinas Lewis, Leiter des Robotic Automation Center der Swiss Re ist der Meinung, dass die Entwicklung der Automatisierung im Bereich der Finanzdienstleistungen der Revolution der Automobilindustrie in den 70er und 80er Jahren sehr ähnlich sein wird: „Die Rolle des Menschen in Prozessen wird sich dramatisch verändern und sich auf Dinge konzentrieren, die der Mensch viel besser kann – in Bezug auf Design und Problemlösung. Die die sich wiederholenden, regelbasierten Dinge werden den Robotern überlassen. Auch wenn es nicht in zwei Jahren passieren wird, weiß ich, dass es keine 20 Jahre mehr dauert.“