Die Digitalisierung gefährdet vielerorts die Marktstellung etablierter Unternehmen in einer Branche. In der Konsumgüterindustrie, wo die Umsätze der Markenhersteller zuletzt im Schnitt um weniger als 1 Prozent gewachsen sind, könnte sie sich als Rettungsanker erweisen.
Welche Chancen digitale Technologien bieten, zeigt die Analyse der Managementberatung Bain & Company in Zusammenarbeit mit Google. Für die Studie „Smart Shopper Marketing: Digitaler Schlüssel zu mehr Kundennähe“ wurden die 35 wichtigsten digitalen Anwendungen in sieben Technologiefeldern ausgewählt und deren Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette eines typischen Konsumgüterproduzenten untersucht.
„Eine entschlossene Digitalisierung kann die Renaissance der etablierten Konsumgüterhersteller einleiten“, betont Bain-Partner und Co-Autor der Studie Dr. Mario Häuptli. Tatsächlich stecken insbesondere in den betrieblichen Abläufen der Markenartikler, im Marketing und im Vertrieb erhebliche Potenziale. So sollen innovative Technologien unter anderem die Effizienz in der Fertigung und in der Kundenansprache steigern.
„Die Rückeroberung von Marktanteilen ist allerdings kein Selbstläufer“, so Häuptli. „Die Hersteller sollten sich von der Pilotphase verabschieden und sich der Digitalisierung endlich auf breiter Front verschreiben.“
Großer Umbruch in Marketing und Vertrieb
Die Analyse identifiziert sieben besonders bedeutende Technologiefelder:
- Automatisierung und Robotik,
- Onlinekommunikation,
- Advanced Analytics und maschinelles Lernen,
- Internet der Dinge,
- Blockchain,
- Virtual und Augmented Reality sowie
- Cloud und SaaS.
In Pilotprojekten testen Konsumgüterhersteller bereits den Einsatz von Industrierobotern und 3D-Druck. Andere arbeiten bereits mit kontextuellem und standortbezogenem Marketing.
Gerade in Marketing und Vertrieb führe die Digitalisierung zu spürbaren Veränderungen. Noch fließe ein Großteil der Ausgaben in die Händlerfinanzierung – von Aktionsrabatten bis hin zu Werbekostenzuschüssen. Doch mit der Digitalisierung trete das Smart Shopper Marketing in den Vordergrund – und damit die direkte Kommunikation mit den Verbrauchern vor allem über mobile Endgeräte.
Zielgenauere Kundenansprache
Durch Smart Shopper Marketing sollen Konsumgüterhersteller lernen, die Bedürfnisse und das tatsächliche Verhalten der Käufer besser zu verstehen. Mithilfe digitaler Kommunikationswege könnten sie selbst Daten erheben und den Informationsvorsprung des Handels verringern. „Entscheidend ist die Datenerhebung in Echtzeit, um Kundenbedürfnisse schnell zu erkennen“, erklärt Bain-Partner und Co-Autor Miltiadis Athanassiou. „Noch wichtiger allerdings ist es, diese Erkenntnisse auch zu nutzen – und das ebenfalls in Echtzeit.“
Digitale Technologien und die direkte Kommunikation mit den Kunden eröffnen laut der Analyse den Konsumgüterherstellern neue Möglichkeiten, ihre Marken auf verschiedenen Vertriebskanälen zu präsentieren. Diese individuelle Form der Kundenansprache fördere den Absatz im stationären wie im Onlinehandel. Vorreiter verknüpfen dazu beispielsweise ihr Marketing mit Informationen über Lagerbestände und stellen auf diese Weise sicher, dass Kunden bei der Suche nach einem Artikel sofort erfahren, ob und wo dieser vorrätig ist. In eigenen Onlineshops und Flagship-Filialen lernen die Markenartikler mehr über ihre Kunden und könnten den Wert eines Kunden über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg steigern.
Umdenken tut not
Damit Konsumgüterhersteller alle Vorteile des Smart Shopper Marketing nutzen können, gelte es umzudenken. Gefragt seien integrierte Vertriebs- und Marketingstrategien sowie ein massiver Ausbau der Technologiekompetenz. „Die klassische Zweiteilung von Marketing und Vertrieb ist überholt, die Zukunft gehört gemeinsamen Teams an einem Standort“, ist Athanassiou überzeugt. „Den digitalen Schlüssel zu neuem Wachstum halten die Unternehmen selbst in der Hand.“