Damit Unternehmen im boomenden E-Commerce-Geschäft erfolgreich sein können, müssen sie aufhören, die digitale Transformation halbherzig zu betreiben. Laut McKinsey sind sie gefordert, ihre Strukturen, Prozesse, Systeme und die Belohnungssysteme ernsthaft auf die digitalen Anforderungen einzustellen. Die Unternehmensberater haben 7 Verhaltensweisen identifiziert, die erfolgreiche digitale Unternehmen an den Tag legen. In ihnen ist durchaus eine gewisse Radikalität erkennbar.
„Unvernünftige“ Ziele setzen
Unvernunft, postulieren die Berater, sein ein Weg, die Organisation erkennen zu lassen, dass „digital“ ein wertschöpfendes Geschäft ist und nicht nur ein Kanal, der bestimmte Aktivitäten verlangt. Einige Unternehmen formulieren ihre Ziele als Wachstumsmarken oder Marktanteile im digitalen Geschäft. Andere fordern Kostensenkungen, die sich an den Kostenstrukturen der neuen digitalen Konkurrenten orientieren. Die Autoren des Berichts „The seven habits of highly effective digital enterprises“ erklären dazu: “ Wenn ihre Ziele nicht die Mehrheit nervös machen, dann sind sie vielleicht nicht anspruchsvoll genug.“ Als Beispiel führen sie den Videostreaming-Anbieter Netflix an. Obwohl der Online-Verleih von DVD erfolgreich war, setzte die Unternehmensführung auf Streaming als künftigen Vertriebsweg. Heute hat Netflix 40 Millionen Abonnenten und ist dabei sein Geschäft auch auf Europa auszudehnen.
Skills einkaufen
Das für eine gelungene digitale Transformation nötige Know-how kann nicht vollständig aus dem eigenen Unternehmen kommen. Führende Unternehmen werben deshalb immer wieder Talente aus anderen Branchen ab, weil sie erkannt haben, dass Fachwissen in Sachen digitalem Produktmanagement oder nutzerorientiertem Design gerade zu Beginn einer Transformation wichtiger sind als Branchenerfahrung. Als Beispiele führt der Bericht den britischen Lebensmittelhändler Tesco und den US-Hersteller Verizon an. Der gezielte Zukauf von Talenten sei zwar nicht der einzige erfolgversprechende Weg, schnell genügend Traktion zu entwickeln, aber um eine anspruchsvolle digitale Agenda umzusetzen und den „Samen für eine neue digitale Kultur“ zu säen, sei der Zukauf von Know-how wohl unerlässlich.
Talente konzentrieren und kultivieren
Wenn Talente eingekauft werden und dann existierenden Arbeitsgruppen zugeordnet werden, laufen sie Gefahr, assimiliert zu werden und keine eigenen Ideen umsetzen zu können. Die McKinsey-Autoren plädieren dafür, mit diesen Talenten neue Teams aufzubauen und sie ihre eigenen Arbeitsweisen entwickeln und ihre eigenen Tools nutzen zu lassen. Der Einzelhandelsriese Wal-Mart hat es mit beiden Ansätzen versucht. Zunächst wurden die eingekauften digitalen Talente über das gesamte Unternehmen gestreut. Ergebnis: 2011 setzte Wal-Mart 5 Milliarden Dollar im E-Commerce-Bereich um. Gemessen an Amazons Umsatz von 48 Milliarden war das natürlich etwas enttäuschend. Danach versucht es das Unternehmen mit den @Walmart Labs, die 2011 als Teil der E-Commerce-Divison im Silicon Valley und nicht im Hauptsitz in Betonville angesiedelt wurden. Die Innovationen dieser Gruppe – unter anderem eine unternehmensweite E-Commerce-Plattform – trugen dazu bei, dass Wal-Mart 2013 seine Online-Umsätze um 30% steigern und damit Amzons Wachstumsrate übertreffen konnte.
Alles hinterfragen
Um ihre Unternehmen erfolgreich digital aufzustellen müssen Führungskräfte aggressiv den Status Quo und bestehende Normen hinterfragen. Sie sollten sich in die Rolle von Start-Ups hineinversetzen, die planen, einem etablierten Anbieter sein Geschäft streitig machen wollen. Digital denkende Führungskräfte suchen in allen Bereichen ihres Geschäftes nach digitalen Innovationsmöglichkeiten – sei es im front- oder back-office-Bereich oder entlang der Lieferketten. Der Bericht führt den Autovermieter Hertz als Beispiel an. 2007 führte das Unternehmen ähnlich wie die Luftfahrtgesellschaften Self-Service-Kioske ein. Während die Airlines diese Idee nicht weiterentwickelten, bot Hertz seinen Kunden ab 2011 Kioske mit 2 Monitoren an. Mit dem einen können sie ein Fahrzeug auswählen, mit dem anderen, auf Augenhöhe kommunizieren sie per Realtime-Video mit Kundenberatern von Hertz.
Schnell und Daten getrieben agieren
Schnell zu entscheiden ist in der dynamischen digitalen Welt ein kritischer Vorteil. Produktzyklen von 12 Monaten sind altbacken. Unternehmen müssen zu einen kontinuierlichen Kreislauf aus Weiterentwicklung und Ausliefern etablieren, wie man ihn zum Beispiel von Google oder Facebook kennt. Dazu können sie auf agile Entwicklungsmethoden und Live-Beta-Konzepte zurückgreifen, die von Big Data Analytics unterstützt werden. Kontinuierliche Verbesserung setzt ständiges Experimentieren voraus. Beides funktioniert nur, wenn schnell auf Informationen (vom Markt, vom Kunden) reagiert werden kann. Um die Vorteile dieser Fähigkeiten zu illustrieren führt McKinsey das „Decision Cockpit“ von P&G an. Dieses unternehmensweite Analytics Portal versorgt 50 000 Mitarbeiter Marken-, Produkt-, und Regionen übergreifend mit aktuellen Analysedaten. So können die Teams schnell feststellen, wo sie zum Beispiel Marktanteile verlieren und entsprechend gegensteuern.
Dem Geld folgen
Nicht nur Kunden orientierte Lösungen liefern Wertbeiträge, Back-Office-Funktionen können das auch. Digitale Transformation habe, so McKinsey weiter, nicht nur mit dem Erschließen neuer Umsatzströme zu tun, sondern auch mit der Reduzierung der Betriebskosten. Bei Starbucks – weithin anerkannt für seine Innovationen an der Kundenfront – beispielsweise zielten nur 35 von 100 IT-Projekten auf Kunden- oder Partnerinitiativen. Ein weiteres Drittel der IT-Projekte dreht sich dagegen um Effizienzsteigerungen außerhalb der Ladengschäfte und beim letzten Drittel der IT-Projekte geht es um die Verbesserung von Verfügbarkeit und Sicherheit.
Vom Kunden besessen sein
Steigende Kundenerwartungen treiben die Unternehmen dazu, die Qualität des Einkaufserlebnisses über alle Kanäle hinweg zu verbessern. Nur in einem Verkaufskanal exzellente Erlebnisse zu bieten, reicht nicht aus. Kunden erwarten heute die gleiche Bequemlichkeit beim Einkaufen gleichgültig ob sie online shoppen oder im Laden einkaufen. Umfragen belegen, dass 89% der Kunden wegen einer schlechten Erfahrung zum Konkurrenten wechseln. 86% erklärten sogar, dass sie bereit wären für ein besseres Einkaufserlebnis auch mehr zu zahlen.
Dabei sind die 3 Autoren des Berichts – Tunde Olanrewaju, Kate Smaje und Paul Wilmott – davon überzeugt, dass erfolgreiche Unternehmen nicht nur eine dieser Verhaltensweisen an Tag legen müssen, sondern möglichst alle 7.