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„Wir sind rund 50 % schneller geworden.“

Wie stark unterstützt Software heute die HR-Arbeit in Unternehmen? Welche Rolle spielen dabei analytische Werkzeuge, mit denen Bewerberdaten und HR-Kennzahlen systematisch durchforstet und so aufbereitet werden können, dass sie Basis auch für strategische Entscheidungen bilden? Welchen Einfluss hat Software auf die Geschwindigkeit und die Qualität, in der HR-Prozesse ablaufen? Über diese und andere Fragen sprach IT Rebellen mit Dieter Scholz, HR-Chef und Geschäftsführer der IBM Deutschland.

Dieter Scholz, HR-Chef  IBM Deutschland   Foto:IBM

Dieter Scholz, HR-Chef IBM Deutschland Foto:IBM

?: Was verstehen Sie unter einem modernen Personalmanagement?

Scholz: Damit wir als Unternehmen die Produkte und Lösungen unseren Kunden in der passenden Form anbieten können, brauchen wir die richtigen Leute mit den richtigen Skills am richtigen Platz zur richtigen Zeit.  Bei der Suche nach den richtigen Mitarbeitern – gleichgültig, ob wir außerhalb oder innerhalb des Unternehmens suchen – unterstützt uns heute Software, mit der wir einige Sachverhalte vorab prüfen. So können wir anhand der Daten, die uns zum Beispiel von Bewerbern geschickt werden, schauen, wie innovativ die Leute sind, ob sie in die  Unternehmenskultur passen und andere Dinge mehr. Angelehnt an unsere Vision des Smarten Planeten sprechen wir in diesem Zusammenhang auch von einer „Smarter Workforce“.

?: Das klingt eher nach solider HR-Arbeit und nicht nach einer digitalen Revolution der Personalarbeit.

Die Software macht Talentsuche und -management präziser

 Scholz: Natürlich ist das solide HR-Arbeit. Die wollen wir ja auch machen. Die Software macht lediglich die Talentsuche und das Talent-Management präziser. Sie stimmt Kandidaten und Aufgaben aufeinander ab. Es kommt ja auch sehr häufig vor, dass wir sehr gute Kandidaten haben, für die wir – im Sinne der persönlichen Weiterentwicklung – eine zu ihren Talenten passende Aufgabe finden wollen. Die Software ergänzt die HR-Arbeit, ersetzt sie aber natürlich nicht.

?: Wie unterstützen IT-Lösungen konkret die HR-Mitarbeiter, die Bewerber interviewen und bewerten?

Scholz:  Mit Talent-Analytics sind wir beispielsweise in der Lage, die vorliegenden Daten so zu analysieren, dass wir später eine auf Daten gestützte Entscheidung treffen und nicht eine, die ausschließlich auf Intuition und persönlichen Erfahrungen beruht. Deshalb kann eine Entscheidung immer noch falsch sein, aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist deutlich geringer. Für diese Analyse ziehen wir übrigens ausschließlich die Daten heran, die uns der Bewerber mit seiner elektronischen Bewerbung gibt. Social-Media-Screenings lehnen wir aus ethischen Gründen ab.

?: Ist für den Bewerber auch transparent, welche Daten bei der Talent-Analyse herangezogen werden?

Scholz: Natürlich. Und zwar dadurch, dass wir keine anderen Daten benutzen als die, die wir vom Bewerber bekommen.  Wir benutzen die gleichen Quellen wie früher, aber sie werden genauer analysiert und der Interviewer muss weniger Zeit in die Vor- und Nachbereitung des Bewerbungsgesprächs stecken.

?: IBM setzt nicht nur im HR-Bereich auf Business Social Collaboration, sondern setzt diese Tools auch breit im Unternehmen ein. Inwieweit spielt die HR-Abteilung in Sachen Digital Workplace eine treibende Rolle?

Scholz: Die HR-Abteilung ist nur ein Einsatzbereich in Sachen Digital Workplace.  Wir setzen diese Tools unternehmensweit ein und gestalten dadurch gerade in den Bereichen, in denen intensiv zusammengearbeitet wird, die Arbeit effektiver. Durch die Benutzung kollaborativer Werkzeuge stehen allerdings auch dem HR-Bereich mehr Daten zur Verfügung. Zum Beispiel bekommen wir von Mitarbeitern, die sich taggen, Angaben über das Know-how, ihre persönlichen Interessen usw. So können wir bei Aufgaben, für die wir intern geeignete Mitarbeiter suchen, diese Daten in die HR-Software einfließen lassen und bezüglich Expertise und Projekterfahrungen nutzen. Auch die Daten von Bewerbern, die sich über elektronische Jobportale bewerben, fließen in diesen Abgleich mit den gewünschten Profilen ein. Auf diese Weise können wir Kandidaten, die sich auf eine bestimmte Stelle bewerben, auch Jobs anbieten, auf die sich zwar nicht beworben haben, für die aber ihr Profil passen würde. Das erhöht noch einmal die Effektivität und Qualität unserer Arbeit.

 

Die Entscheidungen selbst werden weiterhin von Menschen getroffen und das sollte aus meiner Sicht auch so bleiben.

?: Lässt sich die HR-Arbeit künftig noch stärker automatisieren und was bleibt auch in den kommenden Jahren noch Handarbeit?

Scholz: Es lässt sich noch einiges mehr automatisieren. Bisher haben wir hauptsächlich über das Recruiting gesprochen. Aber denken Sie auch an Themen wie HR-Kennzahlen – welche Kenntnisse braucht das Unternehmen, wie viele Mitarbeiter mit welchen Kenntnissen braucht das Unternehmen in 5 Jahren. Da haben Sie natürlich dank der integrierten analytischen Werkzeuge und der breiten Datenbasis viel mehr Möglichkeiten den Verantwortlichen entsprechende Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen. Allerdings nutzen viele Personalverantwortlichen die Möglichkeiten von Analytics heute noch nicht. Das wird sich aber hoffentlich in den kommenden Jahren ändern. Doch trotz der zusätzlichen digitalen Möglichkeiten, dient auch moderne HR-Software letztlich dazu, Entscheidungen schneller und in höherer Qualität vorzubereiten. Die Entscheidungen selbst werden weiterhin von Menschen getroffen und das sollte aus meiner Sicht auch so bleiben.

?: Also wird auch bei der IBM in Zukunft Watson nicht einstellen?

Scholz: Nein, aber Watson ist zurzeit einer meiner  bester „Mitarbeiter“, weil er sehr viele Informationen in sehr kurzer Zeit verarbeiten und daraus Empfehlungen ableiten kann. Außerdem ist er ein grandioser Werbeträger. Watson bleibt ein Vorbereiter, aber er hilft uns, die Qualität der passenden internen und externen Bewerber zu erhöhen.

?: Wie viele Unternehmen sind denn heute in der Lage, ihren spezifischen Personalbedarf für 5 Jahre im Voraus zu bestimmen?

Scholz: Ich glaube, die für solche Prognosen nötigen Daten sind in jedem Unternehmen vorhanden. Allerdings werden aus diesen Daten noch nicht die richtigen Erkenntnisse gezogen. Das ist noch zu mühsam und allein per Spreadsheet erreichen Sie nicht die benötigte Qualität. IBM nutzt die analytischen Werkzeuge bereits und wir bereiten auch solche Entscheidungen vor. Wir wissen genau, wie viele Mitarbeiter, welche Kenntnisse haben und aufgrund historischer Daten hochrechnen, wie hoch der Bedarf sein wird und können dann recht schnell den Qualifikations- und Recruiting-Bedarf ermitteln. Voraussetzung ist allerdings, dass relativ genau beschrieben werden kann, wie sich bestimmte Geschäftsfelder entwickeln.

?: Das hört sich nach einem sehr systematischen Ansatz an. Wird der tatsächlich so gepflegt?

Scholz: Ja. Dabei soll allerdings keineswegs der Eindruck erweckt werden, dass wir nichts anderes zu tun haben, als unsere Datenbanken zu analysieren. Aber auf konkrete Fragen, zum Beispiel wie wir unseren Personalbedarf in einer bestimmten zukünftigen Konstellation decken können, geben wir zügig auch konkrete Antworten. Das ist alles kein Hexenwerk, aber in der dafür notwendigen systematischen und analytischen Arbeit sind wir sehr weit.

?: Inwieweit wirken sich die technischen Möglichkeiten in den Bereichen Onboarding und Personalentwicklung aus?

Scholz: Beim Onboarding erlauben uns die Softwarewerkzeuge auf der einen Seite den Prozess zu beschleunigen – so dass der neue Mitarbeiter bei Arbeitsantritt alle nötigen Dokumente, das richtige Equipment und die richtigen Ansprechpartner hat. Aber Geschwindigkeit ist nur die eine Seite. Noch wichtiger ist die Effizienz und die Qualität dieses Prozesses. Je früher sich der neue Mitarbeiter wohlfühlt, desto besser kann er diese ja nicht einfache, von einigen Unsicherheiten geprägte Zeit bestehen. Bei der Talententwicklung, der Übernahme geeigneter Aufgaben, der Weiterbildung, der Gehaltsentwicklung, Beförderungen usw. ist vor allem die Führungskraft gefragt. Da können unsere Tools Datenpunkte liefern, die man zum Anlass nehmen kann, über diese Dinge nachzudenken und mit dem Mitarbeiter zu sprechen, aber hier muss die Führungskraft aktiv werden. Die Führungskraft muss auch dafür sorgen, dass ein talentierter Mitarbeiter, für den im eigenen Bereich keine Weiterentwicklungsmöglichkeit besteht, gegebenenfalls für eine Aufgabe in einem anderen Team empfohlen wird. Sie sehen also, dass trotz aller digitalen Unterstützung nach wie vor viel Verantwortung von den Führungskräften erwartet wird.

?:  Ist das nicht ein bisschen viel verlangt?

Scholz: Wenn man die Aussage ernst nimmt, wonach die Mitarbeiter unser wichtigste Ressource sind, ist es nicht zu viel verlangt, dass wir uns auch richtig um sie kümmern.

?: Aber braucht die Führungskraft nicht auch eine Systematik, an der sie sich orientieren kann?

 

Durch die Kombination der analytischen Werkzeuge mit den Stellenausschreibungen in sozialen Netzwerken können wir die Headhunter-Kosten erheblich reduzieren.

Scholz: Natürlich. Da bieten die genannten Datenpunkte, die Leistungsbewertung, der Gehaltsverlauf, durchgeführte Entwicklungsmassnahmen, bestehende Erfahrungen, Expertenwissen (Tagging), besuchte Schulungen etc. Orientierung.

?: Die IBM setzt „naturgemäß“ stark auf IT. Was bedeutet das für den HR-Verantwortlichen? Auf was muss er besonders achten?

Scholz: Die Tools eröffnen neue Möglichkeiten. Wir haben kürzlich den Bildungspreis 2014 für das integrierte Talent- und Bildungsmanagement unseres Unternehmens bekommen. Ohne systematische und auf Daten basierter HR-Arbeit ließe sich das nur mit viel höherem Aufwand bewältigen. Ähnliches gilt beim Recruiting. Durch die Kombination der analytischen Werkzeuge mit den Stellenausschreibungen in sozialen Netzwerken können wir die Headhunter-Kosten erheblich reduzieren. Auch Onboarding und Weiterbildung laufen erheblich effizienter und qualitativ hochwertiger ab. So lange die Systeme unterstützend eingesetzt werden und nicht den gesunden Menschenverstand und die Verantwortung der Führungskraft ersetzen, gibt es meiner Ansicht nach keine Nachteile der Tools – ihre intelligente Handhabung setze ich dabei allerdings voraus.

?:  Stichwort intelligente Handhabung. Muss man gerade im HR-Bereich  aufpassen, nicht zu Daten gestützt zu arbeiten? Läuft ein HR-Team dann nicht Gefahr, zu mechanistisch und kalt zu wirken?

Scholz: Allein mit Technik erreicht man nichts. Es muss beides zusammenspielen, intelligente und solide HR-Arbeit unterstützt von entsprechenden Tools. Allerdings haben gerade die jungen Leute, die bei uns einsteigen, ein ganz anderes Verständnis von dem, was Technik ist, als die älteren Generationen. Während meine Generation beispielsweise soziale Netzwerke noch als Technik getrieben empfinden oder Chats als eine TK-Funktion begreifen, sind das für die Generation Y Dinge des täglichen Bedarfs. Für sie steht nicht mehr die Technik im Vordergrund, sondern der Content, das Erlebnis der Kommunikation. Diese veränderte Auffassung zeigt sich auch in den Statussymbolen. Während für die Älteren der Hubraum des Dienstwagens den Status signalisiert, ist es für jemanden jungen, eher das neueste Smartphone oder das leistungsstärkste Tablet.

?: Was hat sich in den 4 Jahren, in denen Sie für die IBM als HR-Chef arbeiten, durch Technologie verändert und was haben diese Veränderungen bewirkt?

Scholz: Personaldatensysteme hatten wir schon immer. Aber durch die neuen Analysemöglichkeiten, die uns die Tools wie Kenexa erlauben, können wir HR-Kennzahlen ganz anders aufbereiten als das früher der Fall war. Außerdem sind wir in der Lage, den einzelnen Geschäftsfunktionen wie Vertrieb, Consulting oder Delivery diese Daten so zur Verfügung  zu stellen, dass sie diese in ihre Geschäftsentscheidungen einfließen lassen.Deshalb ist HR heute viel stärker in die strategischen und transformatorischen Themen eingebunden als das noch vor vier Jahren der Fall war. Bei diesen Themen saßen wir früher ganz hinten im Bus. Jetzt sind wir Dank der Daten, die wir zur Verfügung stellen können, weit nach vorne gerückt und haben Einfluss auf die Richtung, in die der Bus fährt.

?: Lassen sich die Vorteile der digitalen HR-Tools auch mit Zahlen beschreiben? Wie viel schneller ist der Recruiting-Prozess, wie viel schneller läuft das Onboarding etc.?

Scholz: Ja die gibt es. Stellvertretend möchte ich aber nur eine nennen. Beim Recruiting – also von der Stellenausschreibung bis zum unterschriftsreifen Arbeitsvertrag – sind wir heute locker 50 % schneller als ohne die Software-Unterstützung.

[youtube http://youtu.be/qK5mjrxEHfk]
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