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Gartners Thesen zum digitalen Business erscheinen ziemlich abgedreht – auf den ersten Blick

Herbstzeit ist Prognosezeit. Gartner hat kürzlich seine Top-Prognosen für IT-Organisationen und -Nutzer veröffentlicht. Sie stehen ganz im Zeichen der digitalen Transformation. Die Analysten sagen nicht mehr und nicht weniger als eine neue Beziehung zwischen Menschen und Computern voraus.

„Intelligente (O-Ton: Compute-based, Anm.d.Red) Maschinen werden zunehmend genutzt, um Erfahrungen zu kreieren, die menschliche Bemühungen unterstützen. Maschinen nehmen mehr menschliche Charaktereigenschaften an, um eine persönlichere Beziehung  mit Menschen einzugehen. Wir ziehen deshalb in Betracht, dass wir in naher Zukunft bereits in einer Welt leben, in der Menschen und Maschinen Berufskollegen sind und von eineinander abhängen (O-Ton: co-dependents; Anm. d. Redaktion),“ erklärte Gartner Vice President Daryl Plummer.  Auf Basis dieser Einsicht, die übrigens schon  Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee in ihrem Buch „The second machine age“ ähnlich formuliert haben,  basieren die meisten der folgenden Voraussagen.

1. Verglichen mit traditionellen Geschäftsmodellen benötigt das digitale Geschäft im Jahr 2018 rund  50% weniger Mitwirkende im Businessprozess, aber 500 % mehr Schlüsseljobs im digitalen Bereich.

Kurzfristig sichtbares Zeichen dieser Entwicklung Bis Ende 2016 werden 50 % aller digitalen Transformationsbemühungen aufgrund fehlender Skills im Portfolio-Management außer Kontrolle geraten und zu messbaren Verlusten an Marktanteilen führen.

Die schnelle Entwicklung von Social Media und mobilen Technologien beeinflusst laut Gartner das Verhalten der Konsumenten. Diese Trends und die sie unterstützenden Technologien werden unser Alltagsleben stark verändern. Zum Beispiel werden Kühlschränke Lebensmittel einkaufen, Roboter werden Bestellungen zusammenstellen und Drohnen werden sie ausliefern. So werden Supermarktmitarbeiter und Ausfahrer überflüssig. Diese neue digitale Business-Umgebung wird die Business-Prozesse nachhaltig verändern und auf beiden Seiten – bei Anbietern und Konsumenten – höhere (digitale) Kompetenzen erfordern.

2. 2017 wird ein disruptives digitales Geschäftsmodell starten, das von einem Computer-Algorithmus ersonnen wurde.

Kurzfristig sichtbares Zeichen dieser Entwicklung Die wertvollsten Börsengänge werden 2015 von Unternehmen vollbracht, die ein digitales Geschäftsmodell mit physischer Logistik kombinieren und so ihre traditionellen Mitbewerber herausfordern.

Die Weltwirtschaft, befindet Gartner, sei reif für die digitale Disruption. Unternehmen wie Uber und Airbnb, die das Transport- und Hotelbusiness auf den Kopf stellen, beweisen das. Solche schnell wachsenden Unternehmen, die unabhängig von ihrem Geschäftserfolg in kurzer Zeit mit Milliarden Dollar bewertet werden, stellen außerdem eine unwiderstehliche Versuchung für Investoren dar. Diese Investitionen beschleunigen die disruptiven Effekte dieser Entwicklung.

3. Bis 2018 werden sich durch intelligente Maschinen und industrialisierte Services die Kosten für den Geschäftsbetrieb um 30 % reduziert haben.

Kurzfristig sichtbares Zeichen dieser Entwicklung: Im nächsten Jahr wird es mehr als 40 Anbieter von kommerziellen managed Services geben, die intelligente Maschinen und industrialisierte Service offerieren.

Konsumenten wollen billigere und bessere Produkte und Services , die schneller und jederzeit, an jeden Ort und über jeden Kanal geliefert werden. Geschäftsprozesse und die gesamte Wertschöpfungskette  werden sich von einem Arbeits getriebendem, Technologie unterstütztem Paradigma hin zu einem digital getriebenen und Menschen befähigendem Modell entwickeln. Dabei werden die schlauen Maschinen nicht die Menschen ersetzen. Sie werden immer noch gebraucht, um das Schiff zu steuern und Daten zu interpretieren. Gartner ist überzeugt, dass die Maschinen menschliche Arbeit nicht überflüssig machen, aber  Nachlässigkeit und Ineffizienz  aus dem Geschäftsbetrieb verbannen werden. Weil Konsumenten zunehmend Internet und mobile Services nutzen, versucht jede Branche, die Kundenerfahrungen zu verbessern, in dem sie ihre End-to-end-Prozesse vereinfacht, automatisiert und intelligenter macht, kurz von menschlichen Interventionen befreit und mehr Self-Service-Elemente einführt.

4. Im Jahr 2020 wird sich die Lebenserwartung dank der Nutzung mobiler Gesundheits-Monitoring-Technologie in den entwickelten Ländern um ein halbes Jahr verlängern.

Kurzfristig sichtbares Zeichen dieser Entwicklung Bis 2017 werden sich die Kosten für Diabetiker-Versorgung dank Smartphones um 10 % verringert haben.

Tragbare Gesundheits-Tracker bergen großes Potential. Gartner entwirft ein Szenario, in dem die Daten aus Armbändern, smarten Hemden und Sensoren in Accessoires in der Cloud gesammelt und mit weiteren Gesundheitsdaten der Nutzer verglichen werden. Die Analysten erwarten, dass Ärzte mit dem Einverständnis ihrer Patienten ständig in diese Datenströme schauen können und die Ergebnisse der Analyse in ihre Diagnosen einfließen lassen.

5. Bis Ende des Jahres 2016 werden mobile digitale Assistenten mehr als 2 Milliarden Dollar Online-Umsatz generieren.

Kurzfristig sichtbares Zeichen dieser Entwicklung: Bis Jahresende 2015 werden diese Assistenten in der Lage sein, einfache Prozesse wie das Ausfüllen von Formularen mit Namen, Adress- und Kreditkarteninformationen automatisch zu erledigen.

Einzeleinkäufe wie Nachbestellen von Lebensmitteln werden zur Normalität gehören und  stärken das Vertrauen in die digitalen Assistenten. Doch schon ab Ende 2016  treffen die Assistenten komplexere Einkaufsentscheidungen, etwa darüber, was in einer Familie mit schulpflichtigen Kindern zu Beginn eines Schuljahres alles eingekauft werden muss. Ähnliches sieht Gartner für „Kettenereignisse“ voraus. Assistenten werden nicht nur die Plätze im Kino, Konzert etc. buchen, sondern auch das anschließende Dinner oder die Taxifahrt danach. Bis dahin werden rund 2,5 Prozent der mobilen Nutzer ihren Assistenten Einkaufsentscheidungen von bis zu 50 Dollar pro Jahr überlassen. Es wird zwar auch andere digitale Assistenten geben, aber die für mobile Plattformen werden die meiste Verbreitung haben. Mobile Devices mit solchen Assistenzfunktionen werden Ende 2016 die Killer-Applikation sein.

6. Bis 2017 werden 50 % des digitalen Handels in den USA mobile E-Commerce-Umsätze sein.

Kurzfristig sichtbares Zeichen dieser Entwicklung: Mobile Payment wird aufgrund signifikant ansteigender mobiler Umsätze 2015 erneut großes Interesse wecken.

Die immer leistungsfähigeren Smartphones und Applikationen erlauben es End- und Business-Kunden, einfach mit Unternehmen zu interagieren – in jedem Stadium eines Verkaufsprozesses. Bessere Usability, immer mehr Funktionalitäten  und höhere Sichereheit machen Smartphones zu noch wichtigeren Tools als sie ohnehin schon sind. Gerade junge Leute, die eine „innige“ Beziehung zu ihrem Phone pflegen, fordern von ihren Lieferanten Kanal- und Plattform-agnostische mobile Commerce-Funktionen.

7.  2017 werden 70% aller erfolgreichen digitalen Geschäftsmodelle auf absichtlich unstabilen Prozessen basieren, die sich mit den Wünschen der Kunden verändern. 

Kurzfristig sichtbares Zeichen dieser Entwicklung: Ende 2015 werden 5 % der globalen Unternehmen „superbewegliche“ Prozesse gestaltet haben, die ihnen Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Absichtlich instabile Prozesse werden in Bereichen mit einer hohen Veränderungsrate geschaffen, sie können sich dynamisch an die Kundenbedürfnisse anpassen.  Für Unternehmen sind sie überlebenswichtig, weil Kundenverhalten oft nicht vorausgesagt werden kann und schnelle Veränderungen in diesen superbeweglichen Prozessen dafür sorgen, dass umfassendere Abläufe stabil bleiben können.  Absichtlich instabile Prozesse verstärken  die Veränderungsfähigkeit von Unternehmen und Mitarbeitern enorm.  Die gemeinsame Betrachtung von Geschäftsmodellen, Prozessen, Technologien und Menschen  fördert laut Gartner den Erfolg des digitalen Geschäfts.

8. Bis 2017 werden 50% der Investitionen für Konsumenten-Produkte in Innovationen fließen, die das Kunden-Erlebnis verbessern.

Kurzfristig sichtbares Zeichen dieser Entwicklung: Bis 2015 werden mehr als die Hälfte aller Consumer-Produkte digitale Erweiterungen aufweisen.

In vielen Branchen hat der harte Konkurrenzkampf Produkt- und Service-Vorteile weitgehend zunichte gemacht. Das Kunden-Erlebnis wird deshalb zum wichtigsten Differenzierungsmerkmal. Das stimmt besonders für Consumer-Produkte, die sich nicht nur mehr kaum voneinander unterscheiden, sondern die durch Vergleichsportale und Preissuchmaschinen für den Kunden immer transparenter werden. Markenbindung kann praktisch langfristig nur noch über das bessere Kunden/Einkaufserlebnis erreicht werden.

9. 2017 werden 20% der Online-Verkäufer von Gebrauchsgütern 3D-Drucker verwenden, um personalisierte Produkte anbieten zu können. 

Kurzfristig sichtbares Zeichen dieser Entwicklung: Schon 2015 suchen 90% der Online-Verkäufer aktiv nach Partnern, die die neuen „personalisierten“ Produktangebote unterstützen können.

Weil Verbraucher immer mehr Features eines Produktes beeinflussen wollen, erkennen Online-Händler die zusätzlichen Geschäftsmöglichkeiten von per 3D-Drucker personalisierten gegenüber nur konfigurierbaren Produkten. Laut Gartner wird praktisch jede Kategorie von Gebrauchsgütern wird von diesem Trend beeinflusst. Die Hersteller werden sich darum bemühen, Verbraucher stärker in die Gestaltung der Produkte einzubeziehen. Gartner prognostiziert den Herstellern Marktführerschaft in ihren Segmenten, die diese Personalisierungsangebote früh machen. Allerdings setzt das eine sehr große Veränderung voraus, die weit über das Ändern des Business-Modells hinausgehe.

10. 2020 werden Einzelhändler 5 % mehr verkaufen, die zielgerichtete Nachrichten in Kombination mit  Indoor-Positioning Systeme nutzen.

Kurzfristig sichtbares Zeichen dieser Entwicklung: Schon 2016 werden Einzelhändler Angebote machen, die abhängig sind von der  (Geo-)Position eines Kunden und seiner Verweildauer im Laden.

Digitale Marketiers konzentrieren sich bereits heute auf mobile Werbung und nutzen die fortgeschrittenen Analysemöglichkeiten, die der Gebrauch mobiler Devices mit sich bringt.  Kontext spielt bei dieser Werbung laut Gartner eine immer größere Rolle. Wenn man weiß, in welcher Situation ein potenzieller Kunde gerade ist und wo er sich befindet, kann er sehr passgenau beworben werden. Unter den zu analysierenden Daten ist allerdings der momentane Aufenthaltsort der Werbeempfänger die wichtigste Information. Deshalb kommt den Indoor-Positioning Systemne eine so vitale Rolle zu.

 

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